Der alte Mann und der Fluss – Danubius-Personifikationen auf Karten

Forschung

17.03.2021
Karten
Nackter Mann ruht neben Wasserkrug, aus dem sich ein Fluss ergießt

Im 17. Jahrhundert erlebte das Interesse am Donauraum einen markanten Aufschwung. Attraktive Karten, die den ganzen Strom wiedergaben, waren für ein betuchtes Publikum konzipiert und oft mit allegorischen Darstellungen geschmückt. Ein immer wiederkehrendes Element war die Personifikation des Flussgottes Danubius.

Autorin: Elisabeth Zeilinger

Kartentitel wurden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in ornamental verzierte Rahmen gesetzt. Häufig erhielten diese Kartuschen noch eine dekorative Ausgestaltung mit allegorischen Figuren und Darstellungen. Auf Karten, welche die Donauländer zeigen, ist oft die Personifikation der Donau – in Gestalt des Flussgottes Danubius – zu sehen. Prägnante Beispiele können im Rahmen  der Sonderausstellung Die Donau. Eine Reise in die Vergangenheit im  Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek  von 28. April 2021 – 7. November 2021 im Original besichtigt werden.

Als ikonographisches Vorbild diente die Wiedergabe von Flussgottheiten auf zwei römischen Siegessäulen. Auf dem Reliefband der Marc-Aurel-Säule beobachtet Danubius die römische Armee bei der Überquerung der Donau im Raum Carnuntum.

Abb. 1: Karl Ritter von Siegl: Der Flussgott Danubius und der Auszug der Römer aus dem Standlager in Carnuntum, vor 1888 (Zeichnung nach dem Relief auf der Marc-Aurel-Säule in Rom). 

Erzählt werden Ereignisse aus dem Markomannenkrieg unter Mark Aurel in den Jahren 166-180 n.Chr. Danubius, mit langem Bart und Haar, steht im Wasser, den Rücken dem Betrachter zugewendet. Die bekannteste Darstellung eines Flussgottes befindet sich auf der etwas älteren Trajanssäule, die Szenen aus den Daker-Kriegen (101-106 n.Chr.) wiedergibt. Ein bärtiger Flussgott mit Wasserpflanzen im langen Haar sitzt in der Donau vor der Trajansbrücke und schaut den römischen Legionen beim Überqueren des Stromes zu. In der Antike wurde der Unterlauf der Donau als Istros/Ister bezeichnet – nur der obere Flussabschnitt wurde Danubius genannt – somit ist die oft verwendete Bezeichnung Danubius für diesen Flussgott nicht ganz zutreffend. Provinzrömische Weihinschriften für einen Flussgott Danuvius/Danubius sind uns jedoch erhalten geblieben.

Gedruckte Karten des Donaulaufes erfreuten sich einer großen Nachfrage und erschienen in vielen Auflagen. Bedingt durch die häufigen kriegerischen Auseinandersetzungen (Osmanenkriege) und Krisen am Balkan gab es einen permanenten Bedarf, obwohl die Karten sehr an Genauigkeit und Aktualität zu wünschen übrig ließen. Durch die Ausdehnung des Osmanischen Reiches bis weit nach Ungarn konnten keine verlässlichen Daten beschafft werden. Auch spielte Geheimhaltung aus militärischen Gründen eine große Rolle. Daher musste auf veraltete Vorlagen aus dem 16. Jahrhundert, etwa auf die Karten des Wolfgang Lazius, zurückgegriffen werden. So wurde die Richtungsänderung des Donaulaufs bei Vác/Waitzen von West-Ost nach Nord-Süd nicht dargestellt. Erst Guillaume Delisle zeigte auf seiner Carte de la Hongrie (1703) das charakteristische „Donauknie“.

Die in der Karten- und Atlasproduktion führenden niederländischen Verlage hatten immer eine oder auch mehrere Karten der Donauländer in ihrem Programm. Eine große Donaukarte, die den Strom von der Quelle bis zu Mündung wiedergibt, Danubius Fluvius Europae Maximus A Fontibus Ad Ostia, wurde von den Verlagen Blaeu, Hondius und Janssonius in Amsterdam ab 1635 angeboten. Hier gießt Danubius das Wasser der Donau aus einem großen Gefäß, sechs weitere männliche und weibliche Personifikationen von Zuflüssen leeren gleichfalls Wasser aus ihren Krügen in den Hauptstrom.

Abb. 2: Willem Janszoon Blaeu: Danubius, Fluvius Europae Maximus, A Fontibus Ad Ostia …, Amsterdam 1635.

Danubius wendet dem Betrachter die Vorderseite zu; er lehnt erschöpft und sichtlich gealtert - im Vergleich mit den antiken Vorbildern - an seinem schweren Gefäß.

Der Donau-Strand mit allen seinen Ein- und Zuflüssen von Sigmund von Birken, eine Beschreibung von Orten und historisch bedeutenden Stätten an der Donau, erschien 1664 als Propagandaschrift im Zusammenhang mit dem 4. Österreichischen Türkenkrieg und erlebte eine große Anzahl von Auflagen. Die dazugehörende Karte von Johann Jakob von Sandrart Danubius Fluviorum Europae Princeps zeigt eine Ansicht Donaueschingens eingerahmt von Danubius und einer Wasserfrau. In Donaueschingen befindet sich die historische, in Stein gefasste Donaubachquelle.

Abb. 3: Johann Jakob von Sandrart: Danubius Fliviorum Europae princeps cum omnibus accessoriis Fluminibus …, Nürnberg 1664 

Der Flussgott, auf dem Haupt einen Kranz aus Wasserpflanzen, leert mit der rechten Hand Wasser aus einem großen Gefäß, in der linken hält er ein Ruder. Diese Karte besitzt noch eine weitere Danubius-Abbildung: Hier kniet der Flussgott, mit dem Rücken zum Betrachter, neben seinem Wasserkrug und weist mit der Hand auf eine in lateinischer Sprache verfasste Inschrift. In diesem Aufruf beschwört Danubius die Herrschenden, sich der von den Osmanen ausgehenden Gefahr bewusst zu sein.

Abb. 4: Johann Jakob von Sandrart: Danubius Fliviorum Europae princeps cum omnibus accessoriis Fluminibus …, Nürnberg 1664 

Die 1688 in Paris erschienene Karte des Venezianers Vincenzo Coronelli Cours Du Danube Depuis sa source, Iusqu'a ses Embouchures zeigt ebenfalls das Ausgießen des Wassers. Hier sind jedoch die personifizierten Flüsse – Hauptstrom und Zuflüsse – namentlich auf ihren Gefäßen ausgewiesen: Danube, Drave, Save. Die Donau ist in der bekannten Gestalt des Flussgottes mit einer Krone aus Wasserpflanzen dargestellt, Drau und Save sind weiblich.

Abb. 5: Vincenzo Coronelli: Cours Du Danube Depuis sa source, Iusqu'a ses Embouchures …, Paris 1688 

Coronelli war es auch, den Kaiser Karl VI. nach Wien berief, um ein Konzept für die Regulierung der Donau zwischen Nußdorf und Erdberg zu erarbeiten. Seine Pläne wurden jedoch nicht realisiert.

Karten, die den gesamten Donaulauf vom Schwarzwald bis ins Schwarze Meer wiedergeben, sind entweder sehr lang und müssen gefaltet werden, oder der Fluss wird in zwei Abschnitte geteilt. In der Karte Exactissima Totius Danubii Fluvii Tabula aus dem Amsterdamer Verlag Theodor Danckerts wurde die Donau bei der Einmündung der Drau halbiert. Die Kartusche ist von zwei männlichen Flussgottheiten umrahmt, die aus Krügen Wasser ausgießen und Ruder in den Händen halten. Drei weibliche Figuren, eine mit Ruder, die beiden anderen mit großen Gefäßen auf den Köpfen, symbolisieren wohl Zuflüsse.

Abb. 6: Theodor Dankerts: Exactissima Totius Danubii Fluvii Tabula …, Amsterdam um 1690.

Eine weitere Möglichkeit, die gesamte Donau auf einem Blatt darzustellen, besteht im „Auslagern“ von Teilen der Karte in eine Nebenkarte. Johann Jakob Lidl versetzte in seiner Mappa nova Generalis et Specialis Danubii (um 1750) den Bereich mit dem Oberlauf der Donau (bis in die Gegend von Tulln) einfach in das Schwarze Meer und erklärte in einem Schriftband: „Weil obige Tafel in der Läng des gantzen Donau-Fluß nicht geklecket (bedeutet: ausreicht) als ist nöthig den übergen theil hierher zu übertragen“.

 Der Flussgott neben der Titelkartusche hält ein Ruder in der rechten Hand während er mit der linken das Wasser (beschriftet mit Danubius) aus einem Gefäß leert.

Kartenhersteller sahen sich bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit dem großen Problem einer unzureichenden Quellenlage im Bereich der mittleren und unteren Donau konfrontiert. Erst durch die wissenschaftlichen und kartographischen Arbeiten des Luigi Ferdinando Graf Marsigli lagen verlässliche Daten vor. Der Begründer der Donauforschung war Ingenieuroffizier in kaiserlichen Diensten und Privatgelehrter. Marsiglis wissenschaftliches Hauptwerk galt dem Donauraum, den er aus einer 20-jährigen Reise- und Forschungstätigkeit kannte. 1726 erschienen sechs großformatige Bände mit 288 Kupferstichen – eine illustrierte Enzyklopädie. Der 1. Band enthält Karten der Donau von Wien bis zur Mündung der Jantra (Bulgarien) im Maßstab 1:100.000. Es handelt sich dabei um die ersten wirklich genauen Karten, die auch publiziert wurden. Das Frontispiz dieses Kartenbandes zeigt im Vordergrund Danubius mit Ruder und Wassergefäß sowie Hirsch und Hausen (Stör) und dahinter den Blick auf ein Flusstal.

Als Abschluss soll noch eine der ästhetisch überzeugendsten Danubius-Personifikationen vorgestellt werden. Sie befindet sich auf der Ungarn-Karte Mappa Geographica novissima Regni Hungariae des Ignaz Müller aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die von Johann Christoph Winkler gestochen wurde. Großen Raum nimmt die Darstellung eines königlichen Danubius ein. Er sitzt auf einem Felsen und schlägt mit seinem Dreizack Wasser aus dem Stein – im Hintergrund eine weite Flusslandschaft. Diese sehr genaue 12-blättrige Karte beruhte auf geheimen Unterlagen und war nicht für den öffentlichen Verkauf bestimmt. Sie wurde vom Auftraggeber, Graf Franz Moritz von Lacy, Präsident des Hofkriegsrates, an ausgewählte Personen verschenkt.1

Abb. 9: Ignaz Müller: Mappa Geographica novissima Regni Hungariae …, Wien 1769.

Verweise:

1 Johannes Dörflinger: Die österreichische Kartographie im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1. Band. Wien 1984. S. 67 f.

Literatur: 

Josef Wolf, Wolfgang Zimmermann (Hg): Fließende Räume. Karten des Donauraums 1650 -1800. Regensburg 2017. 

Lothar Zögner (Hg.): Flüsse im Herzen Europas. Rhein - Elbe - Donau. Berlin 1993. 

John Stoye: Marsigli's Europe 1680 – 1730. The life and times of Luigi Ferdinando Marsigli. New Haven, Conn. 1994.

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