Das Globenmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek ist weltweit einzigartig.
Nirgendwo sonst gibt es die Möglichkeit, Erd- und Himmelsgloben, Mond- und
Planetengloben, Planetarien, Lunarien und Tellurien im Original(zustand) zu
betrachten, die Entwicklungen im Globenbau, die Veränderungen der kartographischen
und kosmographischen Kenntnisse zu studieren. Attraktivität, kulturhistorische
Bedeutung und internationaler wissenschaftlicher Rang resultieren aus der
Geschlossenheit und Vielfalt dieser Sammlung. Die Bestände des mittlerweile 70 Jahre
alten Museums werden laufend erweitert: Zurzeit beherbergt es mehr als 820 Objekte,
davon sind mehr als 250 ausgestellt. Es ist die einzige Institution, in der Globen sowie
den Globen verwandte Instrumente erworben, erforscht und der Öffentlichkeit
präsentiert werden.
Schriftlichen Quellen zufolge waren an der kaiserlichen Hofbibliothek bereits zu
Beginn der Neuzeit Globen vorhanden, die aber im Lauf der Jahrhunderte verschollen
sind. So soll sich hier eine von Martin Furtenbach um 1535 für Raimund Fugger
angefertigte sehr schöne, von Atlas getragene Armillarsphäre befunden haben. Der
berühmte venezianische Globenhersteller und Universalgelehrte Vincenzo Coronelli
hatte nicht nur wissenschaftliche, sondern auch persönliche Verbindungen zum
kaiserlichen Hof. Coronelli ließ Kaiser Leopold I. ein Paar seiner prachtvollen 110 cm-
Globen überreichen, das besonders aufwendig koloriert und mit einem Porträt des
Kaisers und einer Huldigungsinschrift versehen worden war. Dieses und ein zweites,
fast identes Globenpaar – aus dem Besitz Franz Stephans von Lothringen – fanden
bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts Eingang in das Raumkonzept des Prunksaales
der Hofbibliothek. Ihren höchst repräsentativen Aufstellungsort erhielten sie unter der
zentralen Kuppel im Mitteloval des barocken Bibliothekssaales.
Erst aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt es quellenmäßig belegte Ankäufe
von Globen. 1875 wurde ein Globenpaar von Gerard Mercator (1541 und 1551) aus
privater Hand erworben, das man damals – irrtümlich – für ein Unikat aus dem Besitz
Kaiser Karls V. hielt.
Als der Wiener Geograph Eugen Oberhummer 1921 Recherchen über alte Globen in
Wien durchführte, bot sich ihm in der Nationalbibliothek folgender Bestand: Neben
den zwei feuervergoldeten Riesengloben im Figurenschmuck der Fassade des
Prunksaaltraktes über dem westlichen (Gaea mit Erdglobus) und östlichen (Atlas mit
Himmelskugel) Eingangstor und den beiden 110 cm-Coronelli-Paaren befanden sich im
Prunksaal zwischen Kuppelraum und Eingang ein Paar Blaeu-Globen (Ø 68 cm), im
Sitzungszimmer das oben erwähnte Mercator-Paar (Ø 41 cm), ein Erd- und ein
Himmelsglobus von Gerard Valk (Ø 39 cm) sowie in der Camera Praefecti ein Paar
kleiner Blaeu-Globen (Ø 34 cm) und zwei Armillarsphären aus dem 18. Jahrhundert.
Diese zehn Objekte wurden 1922 in die Geographische Sammlung gebracht und
fristeten in der Zwischenkriegszeit ein Schattendasein. 1948 lautete eine auf die – nun
28 – Globen bezugnehmende Eintragung im Jahresbericht des Sammlungsdirektors:
"Die Globen gehören zu den Objekten, die am seltensten benützt werden."
Die Wiederbelebung des Interesses am Globus ist Dipl.-Ing. Robert Haardt zu erdanken.
Als Folge seiner Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Globenbau begann sich
Haardt auch für alte Globen in einem weitgespannten Rahmen zu interessieren und
leitete damit eine Renaissance in der Beschäftigung mit diesem Gerät ein. Haardts
unumstrittenes Verdienst liegt in seinem unerschütterlichen Glauben an die
didaktische und wissenschaftliche Relevanz des Globus begründet.
Für Haardt stellte sich der Globus nicht nur als wissenschafts- bzw. kunsthistorisch oder
kunsthandwerklich interessantes Studien- und Sammelobjekt dar, sondern er war von
der zeitgemäßen Bedeutung des Globus für Forschungs- und Unterrichtszwecke überzeugt. Ausgehend von der Idee, den Globus – als maßstabgetreues und
verzerrungsfreies, dreidimensionales Modell – durch Adaptionen zum direkten Messen
von Entfernungen, Winkeln und Flächen verwenden zu können, begann er selbst einen
neuen Typus zu entwickeln und zu konstruieren. Haardt bezeichnete dieses von der
Achse befreite, bewegliche und mit einer Vorrichtung zur Entfernungsmessung (in
Kilometern, Bogengraden und englischen Meilen) sowie einer durchsichtigen Kalotte
zum direkten Abnehmen von Flächen und Winkeln versehene Instrument als
„Rollglobus“.
Bereits in der Zwischenkriegszeit widmete Haardt dem Projekt der Gründung eines
Globenmuseums viel Zeit und Energie. Auch während des Zweiten Weltkrieges
versuchte er sein Vorhaben voranzutreiben. Er zog Auskünfte über alte Globen, Karten
und Atlanten ein, ersuchte um Abbildungen und Fotografien und dürfte auch die
Möglichkeiten und Bedingungen für eine leihweise Überlassung dieser Objekte an ein
zu gründendes Globusmuseum in Wien ausgelotet haben.
Gleich nach Kriegsende wurde das Projekt Globusmuseum wieder aktiviert, wobei
Haardt vielfach Unterstützung fand – etwa bei dem angesehenen Fachmann der
historischen Geografie und Universitätsprofessor Hugo Hassinger, der sich in
Publikationen und auch in einem Memorandum an das Unterrichtsministerium sehr
positiv äußerte. Dies ebnete Haardt den Weg für die Einrichtung des "Globusmuseums"
in seiner Privatwohnung im vierten Wiener Gemeindebezirk (Gußhausstraße 20).
Haardt hatte inzwischen privat einige bemerkenswerte Globen erwerben können –
herausragend das weltweit einzig bekannte, erhaltene Exemplar eines Erdglobus von
Gemma Frisius (Ø 37 cm, um 1535). Sein Globusmuseum wuchs kontinuierlich –
einerseits durch Leihgaben staatlicher Stellen und Institute und andererseits durch
Ankäufe, die vom Unterrichtsministerium finanziert wurden. Robert Haardt sammelte
unermüdlich rund um den Globus – sowohl als eigenständiges Objekt als auch in seiner
Funktion als Symbol, Attribut und Staffage: Literatur, Kataloge, Bildmaterial,
Beschreibungen.
Die problematische Situation, staatliche Objekte unter privater Verwaltung ungesichert
in einer Wohnung aufzubewahren, führte seitens der Republik Österreich zu dem
Bemühen, diesen rechtlichen Schwebezustand zu beenden und für eine Klärung der
Besitzverhältnisse zu sorgen. Bereits wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gab es
seitens des Unterrichtsministeriums Überlegungen, „das Globus-Museum zu
verstaatlichen“ und die mit öffentlichen Mitteln angekauften Objekte durch die
Österreichische Nationalbibliothek inventarisieren zu lassen. Obwohl es gute kollegiale
Beziehungen zwischen Haardt und der Nationalbibliothek gab, konnte sich Robert
Haardt jedoch nur sehr schwer von dieser, „seiner“ Sammlung trennen. Am
2. Dezember 1953 entschied das Unterrichtsministerium, die Österreichische
Nationalbibliothek mit der Übernahme der Bestände zu betrauen.
Am 23. April und am 5. Mai 1954 erfolgte schließlich die Übergabe von 25 Globen, 51
Bänden Handbibliothek, 13 Kartenwerken und zehn Portefeuilles mit Bildern. Die
feierliche Eröffnung des weltweit einzigartigen Museums - mit 63 Exponaten - fand
schließlich am 14. April 1956 statt. In jenem Raum, der heute der Lesesaal der
Kartensammlung ist, wurden die kleineren Globen auf Holzpulten und die großen auf
dem Boden stehend, nach optischen und chronologisch-historischen Gesichtspunkten
arrangiert, präsentiert.
Das Museum konnte in den ersten 30 Jahren (1956–1986) einen Zuwachs von 74 Globen
verzeichnen. Diese Bestandsvermehrung war nur durch zahlreiche Dedikationen von
privater und staatlicher Seite ermöglicht worden. Von den 74 Globen gelangten 42 als
Geschenke, 27 durch Kauf, zwei aus dem Altbestand der Österreichischen
Nationalbibliothek und drei auf dem Tauschweg in das Museum.
Obwohl das Globenmuseum 1970 in neue Räumlichkeiten übersiedeln konnte
(Wiedereröffnung am 7. März nach einer Schließzeit von fast einem Jahr), brachte dies
weder einen markanten Platzgewinn noch verbesserte Aufstellungsmodalitäten für die
Exponate. Der Vorteil lag vor allem in dem erleichterten Zugang für die BesucherInnen.
Erst als Räume im Dachbodenbereich zur Verfügung standen, gelang es 1983 bis 1986
die schon längst fälligen Modernisierungsarbeiten und Adaptierungen an die aktuellen
konservatorischen Richtlinien vorzunehmen. Durch das Abtragen von Zwischenmauern
und nach einer umfassenden Sanierung konnten drei größere Räume auf zwei Ebenen –
verbunden mit einer Wendeltreppe – geschaffen werden. Dies erlaubte nun erstmals
eine nach didaktischen Gesichtspunkten gestaltete und konservatorisch einwandfreie
Präsentation des gesamten Sammlungsbestandes (145 Objekte). Die festliche Eröffnung
fand am 2. April 1986 statt. Der einzige Wermutstropfen war das Wissen um die
geringen Raumreserven für die zu erwartenden Zuwächse.
Die Besucherzahlen stiegen nun zwar, konnten aber durch die kurzen Öffnungszeiten
nicht weiter gesteigert werden. An den Tagen der Offenen Tür oder in der Langen Nacht
der Museen war das Interesse der Öffentlichkeit jedoch enorm. Durch eine gezielte
Ankaufs- und Sammelpolitik wuchs der Bestand kontinuierlich. 1996, zehn Jahre nach
der Eröffnung, umfasste das Museum 260 Exponate, in dem darauf folgenden Jahrzehnt
kamen weitere 200 Objekte hinzu. Die Raumkapazitäten waren völlig erschöpft, viele
Neuerwerbungen mussten im Depot verwahrt werden.
Erst durch den Ankauf des Palais Mollard-Clary in der Wiener Herrengasse für die
Österreichische Nationalbibliothek und dessen Generalsanierung erhielt das
Globenmuseum völlig neue Perspektiven. Vier Jahre – von 2002 bis 2005 – wurde
geplant, umgebaut, adaptiert, das didaktische Konzept erarbeitet, Inneneinrichtung und multimediale Präsentationen entwickelt und schließlich die Logistik zur
Übersiedlung der fragilen Objekte erstellt.
Am 1. Dezember 2005 wurde das Globenmuseum der Österreichischen
Nationalbibliothek in der Beletage des barocken Palais Mollard im Zentrum Wiens
neu eröffnet.
Das Museum gliedert sich in einen konzeptorientierten Ausstellungsbereich und in eine
objektorientierte Studiensammlung, in der (nach vorheriger Terminvereinbarung) an
und über die Museumsobjekte geforscht werden kann.
In der permanenten Ausstellung des Museums werden anhand einzelner
Themenschwerpunkte Globen als spezifische kartografische Ausdrucksformen und
wertvolle Objekte von hoher künstlerischer und handwerklicher Qualität vorgestellt.
Neben grundlegenden Informationen zu den Globen als Weltenmodelle stehen die
Geschichte der Globen, Aufbau und Herstellung, die Bandbreite der auf Globen
dargestellten Daten und Informationen, aber auch kulturgeschichtlich relevante
Fragestellungen, wie die Verwendung von Globen und ihre Rezeption sowie spezielle
Globustypen im Mittelpunkt der Präsentation.
Ein eigener Raum ist dem bedeutendsten Globenkonstrukteur und -hersteller des
Barock, dem Universalgelehrten Vincenzo Coronelli aus Venedig, und seinen Werken
gewidmet. Neben den großen Coronelli-Globen (110 cm-Durchmesser) ragt das
Globenpaar von Gerard Mercator aus den Jahren 1541 (Erdglobus) und 1551
(Himmelsglobus) als zentrales Prunkstück der Sammlung heraus. Im sogenannten
„Goldkabinett" aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, dessen malerische Ausstattung
Andrea Lanzani zugeschrieben wird, können die den Globen verwandten Instrumente
(Armillarsphären, Planetarien und Tellurien) besichtigt werden.
Eine besondere Attraktion stellt der 2005 realisierte virtuelle Globus dar. Direkt neben
dem Original (Erdglobus des Gerard Mercator) situiert, bietet dieses digitale 3D-
Faksimile nun die Möglichkeit, den unantastbaren Mercator-Globus auf einem
Touchscreen zu drehen und zu vergrößern, mit aktuellen Raumdaten (wie z.B. den
Küstenlinien) zu überlagern und so Vergleiche zwischen dem geographischen Wissen
des 16. Jahrhunderts und der Realität zu ziehen.
Als Symbol für den breit gefächerten Objektbestand des Globenmuseums kann eine
raumfüllende, runde Vitrinenkonstruktion betrachtet werden. Die eindrucksvolle,
ästhetische Präsentation umfasst „Alte Globen aus aller Welt“; ein Segment zeigt und
erklärt Mond- und Planetengloben.
Eine weitere Besonderheit dieses einzigartigen Museums ist das sogenannte „Kabinett
der Sammlerinnen und Sammler“. Vier Vitrinen zeigen repräsentative Ausschnitte aus
bedeutenden Wiener Privatsammlungen und dokumentieren so vier sehr persönliche
Wege, sich dem Phänomen und Sammlungsobjekt Globus zu nähern. In diesem Raum
ist auch der älteste in Österreich befindliche Globus, der Erdglobus von Gemma Frisius
aus dem Jahr 1536, ausgestellt.
Die Vermittlung des thematischen Programms erfolgt, neben den originalen Objekten,
an den einzelnen Themenschwerpunkten durch Texte in Deutsch und in Englisch sowie
mittels graphischer Darstellungen und Detailfotos. Zahlreiche, vergrößerte
Abbildungen von Ausschnitten der Globuskarten an Vitrinenrückwänden und auf
Wandtafeln sollen die BesucherInnen beispielhaft auf Einzelheiten aufmerksam
machen und eigene Entdeckungen auf den ausgestellten Globen anregen.
Zum didaktischen Konzept des Museums gehören von wissenschaftlicher Seite erstellte
multimediale Applikationen. Diese wurden in Zusammenarbeit zwischen dem
Globenmuseum und dem Institut für Geographie und Regionalforschung der
Universität Wien konzipiert und realisiert. Die an Medienstationen abrufbaren
interaktiven Darstellungen bieten den Besucherinnen und Besuchern eine zeitgemäße
Auseinandersetzung mit dem Thema Globus. Neben einer Einführung via
Großbildschirm sind es vor allem interaktive Präsentationen (Verebnung der
Erdoberfläche und der scheinbaren Himmelskugel, Gegenüberstellung des
Konstruktionsprinzips Karte - Globus) und Medienstationen zur Vermittlung von
Basisinformationen und von vertiefendem Wissen zur Globenkunde, die ein
intensiveres Eindringen in die Materie ermöglichen. Höhepunkt der digitalen
Applikationen und Publikumsmagnet ist zweifellos der virtuelle Globus, der vergrößert,
gedreht und mit dem aktuellen geographischen Wissen verglichen werden kann.
Insgesamt werden den BesucherInnen im Globenmuseum 200 Objekte aus dem Besitz
der Österreichischen Nationalbibliothek und 50 Leihgaben präsentiert. Längere
Öffnungszeiten, fundierte Führungen und dasgroße Interesse der Öffentlichkeit an dem
neuen Museum bewirken einen starken Besucher*innenzuwachs.
Durch die Gründung des Globenmuseums wurde eine empfindliche Lücke in der
Wissenschafts- und Kulturgeschichte geschlossen. Die rasche Entwicklung aus
bescheidenen Anfängen, umfangreiche und überaus wertvolle Zuwächse, die häufig
großzügigen Förderern zu verdanken sind, sowie die hohe Akzeptanz des neuen
Museums veranschaulichen den Erfolg der ersten 70 Jahre.
Text verfasst von: Mag. Elisabeth Zeilinger