In der Ausstellung „Goldene Zeiten“ präsentiert die Österreichische Nationalbibliothek über 80 einzigartige Exponate aus über 200 Jahren Buchkultur. Großformatige Prachthandschriften der Gotik, die für Kaiser Friedrich III. angefertigt wurden, stehen neben Meisterwerken der Renaissance. Gemeinsam dokumentieren sie den Übergang von der mittelalterlichen Handschrift zum gedruckten Buch der Neuzeit.
Die Schau findet im Rahmen der internationalen Ausstellungsserie „Meisterwerke der Buchmalerei des 15. Jahrhunderts in Mitteleuropa“ statt; insgesamt zwölf Bibliotheken in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen dabei zwischen September 2015 und März 2017 die Highlights ihrer jeweiligen Bestände. Die Ausstellungen selbst und ihre Kataloge bieten dadurch eine noch nie dagewesene Fülle an Informationen zur mitteleuropäischen Buchmalerei im Zeitalter Gutenbergs.
Titelgebend für die Ausstellung im Prunksaal ist das von Herzog Albrecht III. im Jahr 1368 beauftragte Evangeliar des Johannes von Troppau: Der Text dieser Prachthandschrift ist in Gold geschrieben und ihr Einband wurde aus vergoldetem Silber gefertigt. Dieses Werk gilt als Gründungscodex der kaiserlichen Hofbibliothek und damit auch der Österreichischen Nationalbibliothek; es ist am Beginn dieser Ausstellung erstmals seit langem wieder im Original zu sehen. Ein weiterer Ausstellungshöhepunkt ist die Goldene Bulle in Gestalt jenes Prachtexemplars, das König Wenzel I. in Prag für sich anfertigen ließ: Dieses bedeutende Rechtsdokument des Heiligen Römischen Reiches wurde 2013 in die Liste des UNESCO-Weltdokumentenerbes aufgenommen.
Den Abschluss der Ausstellung bilden wertvolle Buchdrucke und damit die „Gutenberg-Revolution“ des 15. Jahrhunderts: Aus dieser Epoche stammen das berühmte Wiener Heiltumsbuch und wertvolle Drucke, deren Holzschnitte auf Künstler wie Lucas Cranach zurückgehen. „Goldene Zeiten“ dokumentiert damit zugleich eine Medienrevolution, die vergleichbar mit der Erfindung des Internets ist.
Im Spätmittelalter erlebte Wien einen beeindruckenden Neuanfang: Kirchen wurden ausgebaut, die Universität wurde gegründet und die Residenz errichtet. Von diesem Boom profitierten sämtliche Sparten der Kunst – und auch für die Buchkunst brachen „goldene Zeiten“ an. Diese Blütephase ist eng mit Herzog Rudolf IV., dem Stifter (1339–1365), mehr aber noch mit seinem kunstliebenden und bibliophilen Bruder Herzog Albrecht III. (1349–1395) verbunden. Letzterer ist auch der Auftraggeber für das berühmte Evangeliar des Johannes von Troppau aus dem Jahr 1368. In Gold geschrieben und mit einem Einband aus vergoldetem Silber ausgestattet, ist das Evangeliar die kostbarste und eine der ältesten, noch heute im Bestand der Bibliothek nachweisbaren Handschriften aus habsburgischem Besitz. Es gilt daher zu Recht als Gründungscodex der kaiserlichen Hofbibliothek und damit der Österreichischen Nationalbibliothek. Dieses Glanzstück wird zu Ausstellungsbeginn nach vielen Jahren erstmals wieder im Original gezeigt, bevor es Mitte Dezember aus konservatorischen Gründen durch ein Faksimile ersetzt wird.
Gotische Handschriften wie das Evangeliar läuteten eine Buchkultur ein, in der eine aufwändige Ausschmückung zentrales Anliegen geworden ist. Die Habsburger erkannten, dass nicht nur die monumentalen Bauten, sondern auch Handschriften und später Drucke für die Festigung des christlichen Glaubens und für die fürstliche Herrschaftsrepräsentation geeignet sind. Sie traten gemeinsam mit anderen Angehörigen des Adels als Auftraggeber von prachtvoll ausgestatteten Handschriften prominent in Erscheinung; ihre Werke ließen sie mit Wappendarstellungen und Porträts illustrieren, die ihre territorialen Ansprüche ebenso wie ihren Besitzerstolz zum Ausdruck bringen sollten.
Im Zeitalter Kaiser Friedrichs III. (1415–1493) erlebte die höfisch geprägte Buchkultur eine neue Blüte. War sie bislang von Einzelinteressen und punktuellen „Bestellungen“ bestimmt, so kam mit dem Auftreten Friedrichs eine im wörtlichen Sinne neue Dimension hinzu: Friedrich bestellte, offenbar im Zusammenhang mit seiner Königswahl im Jahre 1440, großformatige, reichlich mit Deckfarbeninitialen und -miniaturen geschmückte und mit Gold versehene Prachthandschriften, für deren Ausstattung er die besten Buchmaler der Zeit heranzog. Er übertraf seine Vorgänger und Zeitgenossen nicht nur im Bezug auf die materielle Opulenz, sondern auch in der Anzahl der für ihn hergestellten Werke. Fast ein Dutzend Gebetbücher können mit Friedrich als Auftraggeber und „Benutzer“ in Zusammenhang gebracht werden. Merkmale seiner Gebetbücher sind handschriftliche Eintragungen, die Nennung seines Namenspatrons, auf ihn bezogener Bildschmuck, personalisierte Gebete und sein Eigentumsvermerk AEIOU, den er bei einem in der Ausstellung gezeigten Exemplar großflächig auf die Innenseite eines Vorderdeckels malen ließ. Aus einem weiteren Gebetbuch ist eine in prächtigen Farben und Gold ausgeschmückte Seite ausgestellt, die Leopold III., genannt der Heilige, mit einem Modell der Stiftskirche Klosterneuburg abbildet.
Als einer der ersten Fürsten bemühte sich Friedrich auch intensiv um das Erbe seiner Vorfahren und gelangte so an die berühmten Handschriften König Wenzels von Böhmen. Zu deren Glanzstücken zählt etwa die Goldene Bulle aus der Zeit um 1400, für die er einen neuen Einband herstellen ließ, der ebenfalls mit seiner Devise AEIOU versehen wurde. Diese Prachtabschrift zählt gemeinsam mit den Originalen aus dem Jahr 1356 zu den wichtigsten Rechtsdokumenten des Heiligen Römischen Reiches, wurde 2013 in die UNESCO-Liste des Weltdokumentenerbes aufgenommen und kann im Rahmen der Ausstellung erstmals seit langem wieder besichtigt werden.
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden für Maximilian, den 1459 geborenen Sohn Friedrichs, insgesamt drei Lehrbücher, die sowohl Texte enthalten, die für den elementaren Unterricht gedacht sind, als auch solche, die sich an den erwachsenen Regenten richten. In der Ausstellung werden etwa das prachtvolle Abecedarium, das von allen Lehrbüchern den reichsten Deckfarbenschmuck aufweist, und das mit verspielten Ranken versehene Lehrbuch der Grammatik des Donat präsentiert.
Neben den weiterhin „aktuellen“ Gebet- und Lehrbüchern traten zur Zeit Kaiser Maximilians I. (1459–1519) vollkommen neue Textgattungen ins Rampenlicht wie etwa autobiografische und allegorische Werke, gemalte Inventare von Festungen und Kriegsgerät, Klassiker der römischen Antike und „wissenschaftliche“ Arbeiten zur Genealogie und Heiligenverehrung. Von Maximilians Großprojekten werden in der Ausstellung der Triumphzug, die biografischen Werke Theuerdank und Weißkunig, die Zeughausbücher, illustrierte allegorische Texte sowie das um 1500 entstandene Grabmal Maximilians, eines seiner größten und langwierigsten Projekte, präsentiert.
Die prachtvoll ausgestatteten Pergamentcodices wurden unter Maximilian zusehends von auf Papier ausgemalten Handschriften abgelöst, das Repräsentationsbedürfnis des Auftraggebers drückte sich weniger im materiellen Erscheinungsbild als in inhaltlicher und thematischer Opulenz aus. Maximilian war auch der erste Habsburger, der bewusst die Möglichkeiten des aufkommenden Buchdruckes nutzte: Für die beeindruckenden Holzschnitte seiner Werke beauftragte er die bedeutendsten Künstler der Zeit, darunter auch niemand Geringeren als Albrecht Dürer. Größen wie Lucas Cranach oder Albrecht Altdorfer bekamen Aufträge, um in Büchern Maximilians Herrschaft zu legitimieren und sein Andenken über seinen Tod hinaus zu bewahren.
Maximilian war es auch, der die mittelalterlich geprägte und noch immer in großen Truhen verwahrte Büchersammlung der Habsburger nach und nach zu einer geordneten und zumindest eingeschränkt benutzbaren Bibliothek ausbaute. Sie wurde der Kernbestand der späteren Hofbibliothek und damit der Österreichischen Nationalbibliothek.
In den für Maximilian angefertigten Werken begegnet man einer ganz neuen Künstlergeneration. Stammten die Buchmaler seiner Werke bislang hauptsächlich aus Wien und Umgebung, wurden sie um 1500 zunehmend von Malern und Druckern abgelöst, die vorwiegend in Tirol und Süddeutschland tätig waren. Die Donaumetropole stand offenbar im Schatten der qualitativ und quantitativ dominierenden Bücherzentren des süddeutschen Raums. Erst als der im Rheinland geborene Drucker Johannes Winterburger (um 1460–1519) im Jahr 1492 nach Wien zog, konnte sich der Wiener Buchdruck etablieren und die Texte erreichten bald einen deutlich größeren Leserkreis. Aus Winterburgers berühmter Druckwerkstatt ist 1502 das besonders aufwändig gestaltete Wiener Heiltumsbuch hervorgegangen, das am Ende der Ausstellung steht: Dieser Meilenstein der Buchdruckgeschichte präsentiert Heiltümer, also den Reliquienschatz einer Kirche, in mehr als 260 einzigartigen Holzschnitten. Darüber hinaus gibt es Anweisungen, wie sich das Volk bei der Heiltumsschau zu verhalten hat und ermahnt zur Andacht, um in den Genuss eines Ablasses zu kommen. Ebenfalls darin enthalten ist eine der ältesten Darstellungen des Wiener Stephansdoms.
Eine weitere interessante Entwicklung in der Zeit Maximilians stellen die Holzschnitte dar, die sich auf Lucas Cranach den Älteren (um 1472–1553) zurückführen lassen. Cranach ist einer der bedeutendsten Künstler der Renaissance in Deutschland; er hatte sich um die Jahrhundertwende in Wien aufgehalten und im Auftrag Winterburgers etliche Holzschnitte entworfen. Meisterwerke dieser Renaissance-Buchkunst wie etwa die in der Passauer Missale enthaltene Darstellung des Gekreuzigten sind erstmals in dieser Ausstellung zu sehen.
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