Anlässlich seiner Reisen in die Kronländern wurden Kaiser Franz Joseph I. oftmals prachtvolle Widmungsadressen übergeben.
Autorin: Sandra Hodecek
Kaiser Franz Joseph I. war eine der prägendsten Herrscherpersönlichkeiten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Seine zahlreichen Reisen führten ihn in weite Teile der Habsburgermonarchie.
Anlässlich seiner Reisen in die Kronländer wurden dem Monarchen oftmals prachtvolle Widmungsadressen übergeben – als Erinnerung an den Besuch des Kaisers in einer Stadt oder auch in einem Wirtschaftsbetrieb.
Bei einer Widmungsadresse handelt es sich um besonders exquisit gestaltete Schreiben im weitesten Sinne, die dem Kaiser zu einem speziellen Anlass dargebracht wurden. Für die Ausführung der Objekte verpflichteten die Auftraggeber die besten Kunsthandwerker*innen der Zeit, um eine möglichst prunkvolle und repräsentative Ausgestaltung zu gewährleisten. Die Widmungsadressen wurden dem Kaiser persönlich überreicht oder an den Hof (in Wien) geschickt. Daraufhin leitete die Kabinettskanzlei sie an die Familien-Fideikommissbibliothek1 weiter. Nach dem Eintrag in ein Verzeichnis wurden sie regelmäßig in der Wiener Zeitung veröffentlicht.
Zahlreiche Huldigungs- und Widmungsadressen für Kaiser Franz Joseph I. werden heute im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt, so auch die vorliegende, die unter der Inventarnummer Pk 12442 verzeichnet ist. Was dieses Objekt besonders und außergewöhnlich macht, ist seine Aufmachung: Die Prunkkassette (Maße: 47,5 x 37 x 11,5 cm) ist aus grauem Krokodilleder mit goldfarbenen Messingbeschlägen gefertigt, ausgekleidet mit türkisfarbenem Seiden-Moiré.
Für die gesamte Prunkkassette wurde eine passende Kartonbox angefertigt – außen purpurrot und innen mit buntem Papier (Vorsatzpapier, vermutlich Kleisterpapier) bezogen.
In der Kassette befinden sich 34 Tafeln, davon zwei Tafeln mit dem Text der Widmung in kalligraphischer Ausführung mit ausgeprägten Dekorelementen. Auf den übrigen 32 Tafeln ist jeweils ein Schwarz-Weiß-Foto (Silbergelatineabzug), ergänzt durch gemalte Zierelemente und Beschriftungen angebracht.
Hergestellt wurde die Prunkkassette aus Anlass des Besuchs Kaiser Franz Josephs I. in der Bijouteriefabrik W. Klaar3 in Gablonz an der Neiße (heute: Tschechien) am 24. Juni 1906. Auf dem ersten Widmungsblatt ist der Name des ausführenden Künstlers „A. Hemrich“ vermerkt.
Die farbliche und künstlerische Gestaltung des Objekts ist in sich sehr stimmig ausgeführt (Grautöne, Türkistöne, Brauntöne, Rosa-/Lilatöne, Gold- und Rottöne). Bei der künstlerischen Ausführung sind deutliche Einflüsse des Jugendstils und der Wiener Secession zu erkennen.
Von der Idee der Gestaltung einer Widmungsadresse bis zur feierlichen Überreichung war es meist ein sehr langer Weg (Gründung eines Komitees für den Textentwurf, Beauftragung namhafter Künstler*innen für die Gestaltung und Umsetzung, Einholung von Angeboten von auf Widmungsadressen spezialisierten Betrieben, z.T. Vorabpräsentation der Öffentlichkeit etc.). Die Überreichung erfolgte entweder persönlich oder durch eine Delegation. Wie dies im vorliegenden Fall geschah, kann leider nicht mehr nachvollzogen werden. Für den Zeitraum von 1906–1909 findet sich kein Übergabevermerk an die Fideikommissbibliothek in der Wiener Zeitung. Auch dem Inventarbuch des Bildarchivs und der Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek sind leider keine weiterführenden Hinweise bzgl. des Einlangens zu entnehmen.
Um nachvollziehen zu können, wie diese Prunkkassette an die heutige Österreichische Nationalbibliothek gekommen ist, soll ein kurzer Blick auf die Reise Kaiser Franz Josephs I. nach Nordböhmen und den damit verbundenen Besuch der Bijouterie-Fabrik W. Klaar Berlin in Gablonz geworfen werden. Der Kaiser setzte damit die Tradition seiner Vorgänger fort, Land und Leute seines Reiches kennenzulernen. Rege Reisetätigkeiten prägten seine gesamte Regierungszeit. Eine dieser staatspolitischen Reisen mit kultureller Bedeutung, die aufgrund des Ausbaus des Eisenbahnnetzes mit der Bahn erfolgen konnte, führte ihn im Juni 1906 einige Tage u. a. nach Reichenberg und Gablonz an der Neiße im heutigen Tschechien.
Die häufigen Reisen des Kaisers dienten dazu, Volksnähe zu zeigen und sich den Untertan*innen als Landesvater zu präsentieren. Sie liefen immer nach bestimmten Empfangsschemata ab. Sein Kurzaufenthalt in Gablonz fand wortreichen Niederschlag in den Tages- und Wochenzeitungen Ende Juni 1906.4 Es soll nicht unerwähnt bleiben, wie umfangreich die Vorbereitungsarbeiten für den Besuch des Kaisers waren und welch schwierige Entscheidungen in Bezug auf die Farben der Dekoration getroffen werden mussten. Dies lässt u. a. ein kurzer Artikel im Prager Tagblatt vom 24. Juni 1906 erkennen5. Man wandte sich bzgl. der Frage der Farben sogar telegraphisch an den zuständigen Landsmannminister, der ebendiese Depesche folgendermaßen beantwortete: „[…] Sie werden Seiner Majestät eine Freude bereiten, wenn Sie in den Farben des kaiserlichen Hauses ihre Häuser schmücken. Wenn Sie neben den schwarz-gelben auch schwarz-rot-goldene Fahnen ausstecken, so ist darin gewiss keine Verletzung der Ehrfurcht vor Seiner Majestät zu sehen […].“ Einen Eindruck der prachtvollen Dekoration der Hausfassaden vermitteln die Fotos auf den Tafeln 32 und 33.
Der Besuch des Kaisers und die Besichtigung der dort ansässigen Glaswarenfabriken war für die Stadt Gablonz, die sich bereits im Mittelalter als Zentrum der Glasherstellung etablierte, eine vorzügliche Gelegenheit, das eigene Ansehen zu steigern – in heutigen Ausdrücken ließe sich hierbei wohl von Marketing sprechen. Die Firma W. Klaar, eine der großen, internationalen Exportfirmen dieser Zeit, war auf die Herstellung von sog. Bijouteriewaren, Hutnadeln, Nippes, Lampenschirme, Glasknöpfe u.v.m. spezialisiert. Im Jahr 1862 von Willhelm Klaar gegründet, hatte das Familienunternehmen zu Beginn 20. Jh. Verkaufsbüros in London, Manchester, Moskau, Kopenhagen, Hongkong und Shanghai. Der Besuch des Kaisers wurde dazu genutzt, den Betrieb und die Produkte bestmöglich zu präsentieren.
Der Kaiser wurde allerorts freudig empfangen, so auch in Gablonz, wie etwa ein Bericht der Illustrierten Kronen Zeitung vom 25. Juni 1906 (S. 8) erkennen lässt: „Sonntag um halb 8 Uhr früh hatte der Monarch […] Reichenberg verlassen, um sich nach Gablonz zu begeben, wo er um ¼9 Uhr eintraf. Brausender Jubel empfing den Monarchen, als er […] den Zug verließ.“
Aus Anlass des allerhöchsten Besuches gaben die damaligen Eigentümer der Firma W. Klaar, Richard Haasis der Ältere, Richard Haasis der Jüngere, Georg Klaar und Hans Boller die Widmungsadresse in Auftrag, die den Besuch (und die Firmengeschichte) mit den beigefügten Fotografien bildlich dokumentiert und für die Nachwelt festhält.
Über die Auftragsvergabe (oder ob zu diesem Zweck sogar ein eigenes Gremium einberufen wurde) ist nichts bekannt. Zum Künstler „A. Hemrich“ selbst sind nur äußerst spärliche Informationen greifbar. Es dürfte sich um Adolf Hemrich handeln, der zu Beginn des 20. Jh. als Kunstmaler in Gablonz ansässig und tätig war, wie Adressverzeichnisse aus der Zeit nahelegen6. Zahlreiche Handwerker waren an der Herstellung der Prunkkassette beteiligt. Die Zusammenarbeit von(Kunst-)Tischlern mit (Feinmetall-)Schmieden, Schlossern, Tapezierern (für den Innenbezug), Sattlern (für den Lederüberzug) und Fotografen war nötig, um dieses unikale Stück herzustellen, jedoch sind keine Informationen über weitere Beteiligte überliefert.
Auch wenn die Prunkkassette aus Anlass einer weniger bedeutenden Reise Kaiser Franz Josephs I. angefertigt wurde, ist sie doch durch die Art der Ausführung einzigartig. Die Herstellung war aufgrund der verwendeten Materialien und des hohen handwerklichen Niveaus mit einem enormen finanziellen Aufwand verbunden. Für die Firmeninhaber bedeutete der Besuch des Kaisers hohe Wertschätzung, die sie mit der Anfertigung der Prunkkassette für die Nachwelt dokumentieren wollten.
Über die Autorin: Mag. Sandra Hodecek ist Leiterin des Teams Katalogisierung der Hauptabteilung Bestandsaufbau und Bearbeitung der Österreichischen Nationalbibliothek.
Der vorliegende Beitrag entstand im Rahmen des ULG Library and Information Studies 2022/23. Frau Mag. Michaela Pfundner, stv. Direktorin des Bildarchivs und der Grafiksammlung, möchte ich meinen herzlichen Dank für die umfassende Betreuung der Arbeit, für die fachliche Unterstützung und für die Zurverfügungstellung des Bildmaterials aussprechen.
1 Einen Überblick der Geschichte der Familien-Fideikommissbibliothek bietet: Huber-Frischeis, Thomas, Valenta, Rainer, Knieling, Nina, Petschar, Hans, Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918. Metamorphosen einer Sammlung (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs Band 111,3), Wien, Köln, Weimar, 2021, https://services.e-book.fwf.ac.at/api/object/o:1530/diss/Content/get) (abgerufen am 9.10.2023).
2 http://data.onb.ac.at/rec/baa20188577 (abgerufen am 9.10.2023).
3 Einen knappen Überblick zur Geschichte der Firma W. Klaar bietet: Nový, Petr, Geschichte des Gablonzer Knopfs, bis 1918, Pressglas-Korrespondenz 4 (2007), S. 4, Sp. 2, https://www.pressglas-korrespondenz.de/aktuelles/pdf/pk-2007-4w-novy-gablonzer-knopf.pdf (abgerufen am 9.10.2023). Anlässlich eines Firmenjubiläums der Firma W. Klaar im Jahre 1937 wurde eine kleine Broschüre „75 jähriges Jubiläum der Firma W. Klaar. Berlin. Gablonz a. N.“ herausgegeben, siehe: https://kramerius.kvkli.cz/search/i.jsp?pid=uuid:d22030c4-c118-4170-b344-15a411f2f174&q=&fq=keywords:%22%C3%96konomik%22#monograph-page_uuid:20d9e822-72ed-11ec-a03c-001b63bd97ba (abgerufen am 9.10.2023).
4 So beispielsweise die Illustrierte Kronenzeitung v. 24. Juni 1906, S. 1, 5–6 und v. 25. Juni 1906, S. 8; Wiener Abendpost v. 25. Juni 1906, S. S. 1–3; Neue Freie Presse v. 25. Juni 1906, S. 4–5; Deutsches Volksblatt, v. 25. Juni 1906, S. 4–5.
5 Siehe hierzu den Artikel „Schwarz-Rot Gold und Schwarz-Gelb“ im Prager Tagblatt v. 24. Juni 1906, S. 3; Grazer Volksblatt v. 25. Juni 1906, S. 1; Grazer Tagblatt v. 25. Juni 1906, S. 3, 5–6.
6 Vgl. u. a. den Eintrag in: Böhme, Emil (Hrsg.), Adreßbuch und Wohnungs-Anzeiger für die Stadt Gablonz a. N., Gablonz a. N. 1907, S. 29, Sp. 1 „Hemrich, Adolf, Kunstmaler, Wustungergasse 31“ (sowie auch S. 214, Sp. 1 unter „Oel- und Kunstmaler“), https://kramerius.kvkli.cz/search/i.jsp?pid=uuid:9964a8d5-31bc-4e44-95fd-ae0031817490&q=adressbuch#monograph-page_uuid:2545d8f1-73d9-11e5-918d-001b21d0d3a4 (abgerufen am 9.10.2023).
Bitte beachten Sie die Öffnungszeiten zu den Feiertagen.