1806: Nationalbibliothek des Österreichischen Kaisertums

Zu Anfang des 19. Jahrhundert geht man daran, die "Bedürfnisse der kaiserlichen Hofbibliothek" neu zu formulieren. Der Kustos Paul Strattmann beschreibt 1807 die notwendigen Hauptaufgaben, "um dieses Institut mit Würde zu erhalten":

"Die kaiserliche Hofbibliothek stellt sich unter einem dreifachen Gesichtspuncte dar. Sie ist die Bibliothek für die gebildete Classe der Hauptstadt. Dies erfordert von ihr die merkwürdigsten Werke des Unterrichts. Sie ist die Nationalbibliothek des österreichischen Kaiserthums. Der Einheimische wie der Fremde erwarten, bei ihr die gesuchtesten literarischen Seltenheiten anzutreffen. Sie ist endlich die Bibliothek des Kaiserhofes, von dem sie ihre Benennung hat. Damit ist typographische Pracht verbunden."

Deutlicher kann man nach den politischen Ereignissen der letzten Jahre – nach der Gründung des Kaisertums Österreich 1804 und der Niederlegung der Krone des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" 1806 – die neue Bestimmung der Bibliothek nicht formulieren. Zum ersten Mal wird die Funktion als Nationalbibliothek des Kaisertums Österreich programmatisch bestimmt, die die Bibliothek bis 1918 auch erfüllt.

So wirken bedeutende slawische Gelehrte an der Hofbibliothek, wie etwa der polnische Literatur- und Kulturhistoriker Józef Maksymilian Ossoliński und der slowenische Begründer der Wiener Slawistik und Balkanistik, Bartholomäus Kopitar. Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt heute etwa 300.000 slawische Druck- und 200 Handschriften und damit eine der bedeutendsten Slavicasammlungen außerhalb des slawischen Sprachraumes.

Die weitere Entwicklung der Bibliothek ist gekennzeichnet durch die Gründung einzelner Sammlungen, um die bessere Verwaltung und wissenschaftliche Bearbeitung einzelner Bestandsgruppen wie Papyri, Handschriften, Karten, Musikalien, Porträts und Drucken zu gewährleisten. Vor allem der Präfekt Moritz Graf von Dietrichstein erkennt den wissenschaftlichen Wert einer gezielten Sammlungspolitik. Er begründet die Musiksammlung, veranlasst den Ankauf von wertvollen Autographen und Kupferstichen und beginnt mit einer "Mustersammlung aller in- und ausländischen Zeitungen".

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts löst sich auch die Sammeltätigkeit der Hofbibliothek langsam aus der kaiserlichen Repräsentationsfunktion, dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Wert des kulturellen Erbes wird mehr Bedeutung zugemessen.

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