Anlässlich des 150. Geburtstages Karl Renners wurden wir nach einer besonderen Form des Denkmals gefragt: Wurde jemals ein Schiff auf den Namen „Karl Renner“ getauft?

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14.12.2020
Geschichte in Geschichten
Seitliches Portrait eines Mannes mit Vollbart, Brille und Halbglatze, schwarz-weiß

Im November 1964 wurde in Vorarlberg die Schiffstaufe eines Bodenseeschiffs auf den Namen „Karl Renner“ verhindert. Die daran anschließenden Ereignisse gingen als sogenannte „Fußach-Affäre“ in die österreichische Nachkriegsgeschichte ein. Aber es gab bereits vorher ein Schiff, das den Namen des ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik trug.


Abb. 1: » Karl Renner bei einer Tonbandaufnahme, 1945

Wie wird’s gemacht? Unser Rechercheweg Step by Step:

  • Step 1: Informationssuche im Bestandskatalog QuickSearch 1: einfache Suche und Schlagwortsuche

Mit einer einfachen Suche im Bestandskatalog QuickSearch erhält man mit den Suchbegriffen „Karl Renner“ und „Schiff“ zwanzig Ergebnisse. Darunter sechs Fotografien, die die verhinderte Schiffstaufe im Bodensee-Hafen Fußach dokumentieren, sowie zwei Bücher zur „Fußach-Affäre.“


Abb. 2: » Bodenseeschiff „Karl Renner“


Abb. 3: Katalog QuickSearch: » Ergebnisliste einfache Suche


Abb. 4: » Hafen Fußach: Demonstration gegen eine Schiffstaufe auf den Namen Karl Renner in Vorarlberg

„Die sogenannte ‘Fußach-Affäre‘ beschränkte sich nicht nur auf den 21. November 1964, den Tag als die geplante Taufe des neuen Bodenseeschiffs „Karl Renner“ von tausenden Demonstranten verhindert und stattdessen das Schiff von den Demonstranten spontan auf den Namen „Vorarlberg“ getauft wurde. Bereits Monate zuvor waren Gerüchte über die geplante Namensgebung in Umlauf geraten und in den Vorarlberger Nachrichten veröffentlicht worden. Der Bregenzer Bürgermeister Karl Tizian war in jenen Tagen der lautstärkste Gegner der Pläne von Verkehrsminister Otto Probst. Nach dem 21. November 1964 entbrannte eine mehr von Emotionen als von Vernunft geprägte Diskussion über das Verhalten der Demonstranten, die Vorgehensweise des Verkehrsministers, das Verhältnis das Landes Vorarlberg zum österreichischen Bundesstaat und den Föderalismus in Österreich im Allgemeinen. […] Ein letzter Höhepunkt sollte eine neuerliche Großkundgebung auf dem Bregenzer Kornmarkt am 2. April 1965 sein. Abermals sprachen sich tausende von Demonstranten für ein Bodenseeschiff „Vorarlberg“ aus. Im Sommer 1965 musste Otto Probst schließlich klein beigeben und die Nottaufe akzeptieren.“
(» Severin Holzknecht: ‚Heute gegen Probst, morgen gegen Rüthi!‘ Zwei Bürgerinitiativen im Vergleich, 2018, S. 47).


Abb. 5: » Hafen Fußach: ÖVP-Funktionär Marxgut und Trude Hartmann nehmen eine inoffizielle Taufe auf den Namen Vorarlberg vor.

Ein Blick in die Details des Datensatzes des ersten Buches »"Vorarlberg" kontra "Karl Renner": die Fußach-Affäre um ein Bodenseeschiff 1964/1965 zeigt die Schlagworte zur inhaltlichen Beschreibung des Werkes. Durch die Nutzung der Schlagwortsuche mit einem Klick auf das erste Schlagwort, welches das letztendlich „Vorarlberg“ getaufte Schiff bezeichnet, erhält man drei zusätzliche Publikationen zur gescheiterten Schiffstaufe in Fußach.


Abb. 6: Katalog QuickSearch: Schlagwortsuche

Die jüngste dieser Publikationen wurde 2018 veröffentlicht. Sie enthält aber wie alle anderen Werke dieser Liste leider keine Angaben, ob ein anderes Schiff auf den Namen „Karl Renner“ getauft wurde.

  • Step 2: Informationssuche im Bestandskatalog QuickSearch 2: Variation der Suchbegriffe

Um die Suche auszudehnen, wird diese mit anderen Suchbegriffen aus dem semantischen Umfeld wiederholt. Eine Suche nach „Karl Renner“ und „Schiffstaufe“ präzisiert und erweitert die Ergebnisliste zur Fußach-Affäre und fördert einige weitere Fotos der Demonstration gegen die Schiffstaufe zu Tage. Sogar eine Aufnahme aus einer Nationalratssitzung ist zu finden, die die Affäre zum Thema hatte und damit deren Größenordnung unterstreicht. Allerdings erhält man keine Hinweise auf eine andere Schiffstaufe, die mit Karl Renner in Verbindung gebracht werden könnte. Auch die Verwendung des » Platzhalters „*“ zur Abdeckung aller möglichen Wortkombinationen mit „Schiff*“ bringt keinen relevanten Mehrwert. Wird der Suchbegriff „Schiffstaufe“ durch „Werft“ ersetzt, erscheint lediglich ein Treffer zu bereits gefundenen Publikationen zur Fußach-Affäre.

Variiert man aber den zweiten Suchbegriff schließlich auf „Stapellauf“, so stellt sich Sucherfolg ein: Die Ergebnisliste zeigt zehn Fotografien des United States Information Service (USIS), die alle den Titel „Linz an der Donau“ tragen  und auf den ersten Blick keine Information mit Bezug zu den Suchbegriffen erkennen lassen. In der Beschreibung der Detaildatensätze ist jedoch zu erfahren, dass hier der Stapellauf zweier Schiffe in Linz dokumentiert wurde, die beide zur DDSG-Flotte (» Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft) gehörten und von denen eines den Namen „Dr. Karl Renner“ trug.


Abb. 7: » United States Information Service, Linz an Der Donau, 1951: Stapellauf der Motorschlepper der DDSG 'Ostarichi' und 'Dr. Karl Renner'

Zudem ist das Datum des Stapellaufs mit 18.04.1951 exakt festgehalten. Sofern diese Angaben zu den Fotografien korrekt sind, kann für die Beantwortung der eingangs gestellten Frage zu diesem Zeitpunkt bereits festgehalten werden, dass es zumindest ein Schiff gab, das den Namen Karl Renners trug. Dieses wurde aber vor und nicht nach der Fußach-Affäre vom Stapel gelassen.

  • Step 3: Überprüfung der Informationen

Mit diesen neu gewonnenen Informationen zum Ort und Tag des Stapellaufs und der Zugehörigkeit des Schiffs zur Flotte der DDSG lässt sich eine Überprüfung der Angaben leicht durchführen. Über eine Schiffstaufe nach dem im Jahr zuvor verstorbenen Karl Renner wurde 1951 sehr wahrscheinlich in den Zeitungen berichtet, wenn auch nicht unbedingt in dem Ausmaß wie es 1964/65 der Fall gewesen ist. Nachdem das Schiff mit dem Namen „Dr. Karl Renner“ in Linz zu Wasser gelassen wurde, ist ein Blick in die Oberösterreichischen Nachrichten naheliegend. Da die Zeitungsbestände aus den 1950er Jahren aufgrund des Urheberrechts noch nicht über » ANNO digital abrufbar sind und auch keine Mikrofilmausgabe vorhanden ist, muss in diesem Fall das Original gesichtet werden.


Abb. 8: Katalog QuickSearch: Zeitungsbestellung

Die Suche ist erfolgreich: unter der Überschrift „Festtag der österreichischen Donauschiffahrt“ werden die Informationen zu den Fotografien des USIS bestätigt.

„[…] Die Festrede hielt Bundesminister Ingenieur Waldbrunner, der die schweren Kriegsverluste der DDSG erwähnte. […] Anschließend an seine Rede vollzog Frau Leopoldine Deutsch-Renner, die Tochter des verewigten Bundespräsidenten, den Taufakt an den beiden Motorschiffen „Ostarrichi“ und „Dr. Karl Renner“, indem sie traditionsgemäß eine Flasche Sekt am Bug jedes Schiffes zerschellen ließ“
(» Oberösterreichische Nachrichten, 19.04.1951, S. 3).


Abb. 9: » United States Information Service, Linz an Der Donau, 1951: Stapellauf der Motorschlepper der DDSG 'Ostarichi' und 'Dr.Karl Renner'

Ein interessantes historisches Detail aus dem Artikel ist zudem, dass die Schiffe nicht, wie im Datensatz der USIS Fotografien angegeben, als Teil der DDSG-Flotte in Dienst gestellt wurden, sondern als Schiffe der Österreichischen Bundesschiffahrt. „Darunter sei aber keineswegs zu verstehen, […] dass die Schiffe einer neuen Gesellschaft gehörten. Die Bezeichnung wurde lediglich gewählt, um klar auszudrücken, dass die Schiffe auch vor der endgültigen, erst nach dem Staatsvertrag zu erwartenden Entscheidung über das Eigentum der DDSG ein separates Vermögen des österreichischen Staates darstellten“ (Ebd.). Diese Regelung sollte allfällige Reparationsansprüche durch die Sowjetunion verhindern. (» Hans Scherer: Vom Raddampfer Zum Schubverband. Wien: Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft, 1974, S. 86)

Auch in der Sekundärliteratur zur DDSG lässt sich das Schiff nachweisen. Zur DDSG finden sich zahlreiche Publikationen im Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek. Schränkt man die Ergebnisse auf jene Bücher ein, die von der DDSG selbst publiziert wurden, finden sich neben einem » Handbuch für Donaureisen auch Materialien zur Geschichte der Gesellschaft. In einem dieser Werke ist eine Liste der Schiffsflotte abgedruckt, die auch den Motorschlepper „Dr. Karl Renner“ verzeichnet. In dem Buch „Vom Raddampfer zum Schubverband“ des Autors Hans Scherer werden auch noch mehr Details angegeben, z.B. dass das Schiff „Dr. Karl Renner“ nicht von der Sowjetunion beansprucht wurde, sondern 1972 nach Ungarn verkauft und dort umbenannt wurde (Vgl. ebd.).

In diesem Sinne, „Schiff ahoi“! Wir hoffen, Sie mit dieser leicht ins Kuriose abdriftenden Recherche zum 150. Jubeltag Karl Renners unterhalten und für Ihre Recherchen inspiriert zu haben. Entdecken Sie zahlreiche weitere digitale Quellen zu Renners bewegtem Leben über » ÖNB Digital.


Abb. 10: » Theodor Bauer, Karl Renner, um 1920

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