Der ewige Kaiser: Franz Joseph I. 1830–1916

Forschung

03.11.2016
Geschichte der ÖNB, Quellen zur Österreichischen Geschichte

Zur Erinnerung an den 100. Todestag Kaiser Franz Josephs I. zeigt die Österreichische Nationalbibliothek im Prunksaal noch bis 27. November 2016 die Ausstellung „Der ewige Kaiser. Franz Joseph I. 1830–1916“.  Sie demonstriert anhand von Originalen aus der habsburgisch-lothringischen Familien Fideikommissbibliothek, wie Kaiser Franz Joseph noch zu seinen Lebzeiten zum ersten Medienstar der österreichischen Geschichte wurde.
Am 21. November, dem Todestag des Kaisers, findet ein internationales Symposium in der Nationalbibliothek statt, das sich mit der Erinnerung an die Habsburgermonarchie und der Bedeutung Franz Josephs befasst.

Nachfolgend die Rede des Ausstellungskurator Dr. Hans Petschar, Direktor der Grafiksammlung und des Bildarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek, zur Ausstellungseröffnung.

Über die Habsburgermonarchie zu sprechen und dabei nicht an Kaiser Franz Joseph zu denken ist ein Ding der Unmöglichkeit. 1830 in Schönbrunn geboren, wurde er mit 18 Jahren Kaiser. Er regierte „sein“ Reich 68 Jahre lang und gegen Ende seiner Regierung konnte sich niemand an einen anderen Kaiser erinnern oder sich einen anderen vorstellen.

Das Bild des Kaisers hing überall in der Habsburgermonarchie, in Schulen, Offizierskasinos, Kasernen, Banken, Hotels und auch in etwas weniger angesehenen Etablissements – wenn wir Joseph Roth glauben wollen, der ihm und dem versunkenen Habsburgerreich am Vorabend der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft in seinen Romanen und Erzählungen ein spätes und nostalgisches Denkmal setzte.

„Es war einmal ein Kaiser. Als er begraben wurde, war ich bewegt von der Zeremonie, mit der Seine Majestät (und das war Österreich-Ungarn) zu Grabe getragen wurde. … Die kalte Sonne der Habsburger war ausgelöscht worden, aber sie war zumindest eine Sonne gewesen.“

Joseph Roth irrte nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in halb Europa in den Gebieten der ehemaligen Habsburgermonarchie herum. Er war nicht der einzige, der in der Gegenwart keinen Halt mehr finden konnte und in der Vergangenheit nach Antworten suchte.

Für viele Schriftsteller und Historiker der Zwischenkriegszeit, für Joseph Roth, Stefan Zweig, Robert Musil, Josef Redlich, Karl Tschuppik, Heinrich Srbik verkörperte Franz Joseph das alte Europa und die Monarchie, er wurde zum identitätsstiftenden Symbolfigur für das habsburgische Vielvölkerreich.  

In unserer Ausstellung zeigen wir, wie dieses Bild des ewigen Kaisers noch zu seinen Lebzeiten entstand und fortwirkt bis heute.

Von den ersten Monaten seines Lebens an und bereits immer mit dem Gedanken an die zukünftige Herrschaft, lässt seine Mutter Sophie den jungen Erzherzog porträtieren. Seit seinem Regierungsantritt am 2. Dezember 1848 porträtieren Maler und Lithografen den Kaiser. Ab den 1860-er Jahren tritt neben die klassischen Bildkünste die Fotografie als Medium der visuellen Repräsentation.

Das 50-jährige und 60-jährige Regierungsjubiläum 1898 und 1908 sowie der 80. Geburtstag des Kaisers 1910 bewirken eine Vielzahl von Gedenkveranstaltungen. Aus der ganzen Monarchie gelangen Huldigungen und Geschenkadressen in die Privatbibliothek des Kaisers. Sie führen zu einer Explosion der Bilderwelt, medial verbreitet durch die illustrierte Presse, durch Fotografien und über Bildpostkarten.

Die einzigartigen Originalobjekte, die wir Ihnen in unserer Ausstellung zeigen, stammen zu einem Teil aus der Privatbibliothek des Kaisers: wie diese vielleicht schönste fotographische Porträtaufnahme von Viktor Anger, die Franz Joseph seinem Sohn Rudolf zum Geburtstag schenkte und die er nach dem Selbstmord des Sohnes wieder zu sich nahm. Oder auch jenes zerschlissene Fotoalbum, das dem Kaiser anlässlich seiner Bosnienreise 1900 geschenkt wurde. Aus der habsburg-lothringischen Familien-Fideikommissbibliothek stammen die Unterrichtshefte und Prüfungsaufgaben des jungen Erzherzogs Franz. Sie zeigen die ersten Schreibversuche, sein zeichnerisches Talent, seine Disziplin und seine ungeheures Lernpensum.

Nicht von allen Geschenken und Büchern, die in die Bibliothek gelangten, ist jedoch gesichert, ob sie der Kaiser je zu Gesicht bekam. Theodore Roosevelt, der der auf seiner Europareise 1900 von Kaiser Franz Joseph zu einer Privataudienz in der Hofburg eingeladen wurde, schickte zum Dank ein Franz Joseph gewidmetes Exemplar seiner afrikanischen Jagderlebnisse. Es wurde unbeschnitten und ungeöffnet an die Privatbibliothek abgegeben, wo wir es vor gut einem Jahr im Zuge der Katalogisierung und Digitalisierung der Bibliothek entdeckt haben….

Manche Objekte stammen aber auch aus privaten Sammlungen, die die Österreichische Nationalbibliothek im 20. Jahrhundert erworben hat: so etwa der Nachlass von Franz Schnürer, der bis 1918 die Fideikommissbibliothek leitete und der 1930 zum hundertsten Geburtstag die Briefe Franz Josephs an seine Mutter erstmals publizierte. Oder auch der fotografische Nachlass der Erzherzogin Maria Theresia von Braganza, die Franz Joseph sehr nahe stand und ihn privat fotografierte und vor allem der Nachlass Katharina Schratt mit den Fotografien und den privaten Briefen Kaiser Franz Josephs, die den Menschen seiner Zeit vollkommen unbekannt waren.

In vielen dieser Objekte verdichtet sich gewissermaßen die Geschichte, die private und die öffentliche Geschichte der Habsburgermonarchie und ihrer herrschenden Dynastie.

Mit dieser Feder unterschrieb Kaiser Ferdinand am 2. Dezember 1848 seine Abdankung und Kaiser Franz Joseph seine Regierungserklärung. Zur Erinnerung an das Ereignis überreicht die Stadt Olmütz dem Kaiser zu seinem 60-jährigen Regierungsjubiläum eine Huldigungsadresse.

Die Anlässe zur Herstellung und Überreichung dieser Adressen waren vielfältig: die Regierungsjubliläen 1898 und 1908, Geburtstage, die Silberhochzeit des Kaiserpaares, historische Feiern wie die Zugehörigkeit der Kronländer zur Habsburgermonarchie.

Alle diese Objekte geben Zeugnis von der Identifikation mit der Person Franz Josephs und von der Herstellung von Loyalitäten und auch von den Grenzen der Loyalität innerhalb der Gesellschaft und in den Regionen der Monarchie. 1908 und 1910, zum 80. Geburtstag des Kaisers war man sich des gesellschaftlichen und des politischen Wertes der Adressen durchaus bewusst: Die Zeitungen berichteten von der Überreichung und die schönsten Adressen wurden sogar öffentlich ausgestellt.

Die Meilensteine der österreichischen Geschichte von 1848 bis zur Gegenwart der Jahre 1908 und 1910 sind in den Medienberichten der Zeit durchaus präsent: die Revolution des Jahres 1848, die Kriege gegen Sardinien und Preußen, der Ausgleich mit Ungarn, die der Bau der Ringstraße und die Annexion Bosnien-Herzegowinas.

In den patriotischen Festausgaben erscheint Kaiser Franz Joseph als treibende Kraft der Geschichte, der das Staatschiff und „seine“ Völker durch die Stürme der Zeiten geführt und Österreich-Ungarn in einen modernen Staat verwandelt hat. Ausgeklammert bleiben die politischen Realitäten, die die Tagespresse bestimmen: nationale Spannungen im Vielvölkerreich, internationale Krisen, die Schwäche des Parlamentarismus und die trotz Einführung des allgemeinen und Wahlrechts für Männer unzureichende Demokratisierung des Staates.

Neben der allgemeinen Politik, die auch einen Themenstrang unserer Ausstellung bestimmt, ist es aber vor allem das private Schicksal des Kaisers, das das Bild des Kaisers in der Öffentlichkeit bestimmt. Im Jahrzehnt nach dem Regierungsjubiläum 1898, das ganz im Schatten der Ermordung Kaiserin Elisabeths stand, entwickelte sich die Fotografie zu einem allgemein erschwinglichen und auch medial reproduzierbaren Massenmedium. Das Bild des Kaisers wurde in der ganzen Monarchie verbreitet und mit der Geschichte des Landes scheinbar untrennbar verbunden. Gerade die symbolische Stärke des Kaisers, der wie kein anderer europäischer Regent des alten Europa vermochte, sein Reich zu symbolisieren, wurde letztendlich zur entscheidenden Schwäche seiner Herrschaft.

Vertrauend auf eine höhere Gewalt, die ihm die Entscheidung abgenommen habe, wandte sich Kaiser Franz Joseph am 28. Juli 1914 in einem Handschreiben „An Meine Völker!“, um sie in einen Krieg zu führen, der Millionen den Tod brachte.

Franz Joseph starb mitten im Ersten Weltkrieg am 21. November 1916 in Wien und mit ihm der Glaube an die Zukunft des habsburgischen Vielvölkerstaates.

Er ist, wie er sagte, 1916 mit seiner Arbeit nicht fertig geworden. Und wenn wir an die Geschichte des 20. Jahrhunderts denken und an die Gegenwart 2016, dann müssen wir feststellen: nicht nur er, wir sind nicht fertig geworden mit der Arbeit, Europa ist nicht fertig geworden.

Achtung
Achtung

Bitte beachten Sie die Öffnungszeiten zu den Feiertagen.

Folgen Chat
JavaScript deaktiviert oder Chat nicht verfügbar.