Autorin: Sophie-Carolin Wagner
Mit der Implementierung der » ÖNB Labs schafft die Österreichische Nationalbibliothek eine Infrastruktur, die das Experimentieren mit digitalen Daten unterstützt und fördert – und damit einen (virtuellen) Raum, in dem Informationen nicht nur archiviert, sondern aktiv zur weiteren kreativen Verwendung nach außen getragen werden. Die ÖNB Labs verstehen sich als experimentelle Umgebung der Kollaboration, was eine Anpassung an die Bedürfnisse neuer Benutzergruppen erlaubt. Dies wird erreicht, indem gezielt Datensets ausgewählt werden, die eine uneingeschränkte Nutzung erlauben. Die Daten werden derart aufbereitet, dass sie möglichst viele Nutzungsszenarien unterstützen, indem sie etwa möglichst hochauflösend und mit Metadaten angereichert bereitgestellt werden. Zudem werden Tools zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe diese Daten verarbeitet werden können. Angesprochen damit wird eine Benutzergruppe mit hoher Technikaffinität, die sich aber hinsichtlich ihres Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunktes stark unterscheidet. Darunter finden sich Digital Humanists, MedienkünstlerInnen, DesignerInnen, ProgrammiererInnen, aber auch Forschende, die ihre Arbeit mit digitalen Strategien unterstützen. Diese heterogene Benutzergruppe mit einer Veranstaltung anzusprechen, war eine Herausforderung und gleichzeitig Ziel des ÖNB Labs Symposiums mit angeschlossenem Workshop am 13. Juni 2019.
Schwerpunkt Machine Learning
Der Workshop geleitet von Gene Kogan und Sofia Crespo hatte den Schwerpunkt auf dem Thema Machine Learning. Mit diesem Begriff wird ein künstliches System bezeichnet, das auf Grundlage von Daten gewisse Muster und Regeln erkennt und insofern aus Erfahrung lernt. In weiterer Folge kann dieses System dann auch neue Daten nach diesen Regeln einordnen und beurteilen. Die Anwendungsbereiche von Machine Learning sind vielfältig. Der Fokus des Workshops lag auf dem kreativen Umgang mit Bilddaten, welche wiederum aus dem Bestand der ÖNB Labs kamen, konkret den historischen Postkarten, die mittels IIIF (International Image Interoperability Framework) über die ÖNB Labs angeboten werden. Im Workshop haben TeilnehmerInnen erlernt, diese Bilddaten zu synthetisieren, zu transferieren und zu remixen. Ihnen wurden unterschiedliche Programme vorgestellt. Mittels eigenständiger Manipulation von Codebeispielen konnten sie praxisnah erlernen, wie man mit diesen Programmen gestalterisch umgeht.
Bild 1: Workshop mit Gene Kogan und Sofia Crespo
Offene Linzenzen und Experimentcharakter
Das Symposium setzte im Anschluss die Präsentation neuer Services der ÖNB Labs und konkrete Projekte, die mit Daten der Österreichischen Nationalbibliothek arbeiten, mit digitalen Strategien im Bereich der Kulturdaten in Beziehung. Zum Auftakt der Veranstaltung präsentierten Stefan Karner, technischer Leiter, und Sophie-Carolin Wagner, Projektmanagerin der ÖNB Labs, die Strategien der ÖNB Labs und erläuterten, wie diese mittels Datenauswahl und dem Angebot an Tools verfolgt werden. Im Mittelpunkt standen dabei die Offenheit der verwendeten Lizenzen, der Experimentcharakter bereits in der Entwicklung der Plattform und die mannigfaltige Einladung zur Kontribution an BenutzerInnen, da diese Grundsätze das gesamte Serviceangebot, von seiner Erstellung über die Entscheidung für oder gegen konkrete Angebote bis hin zu seiner (niemals finalen) Gestalt bestimmen.
Bild 2: ÖNB Labs Symposium, Begrüßung durch Max Kaiser
Vor diesem Hintergrund folgte die Keynote-Präsentation von Gene Kogan, der darüber sprach, wie diese Strategien in seiner eigenen Arbeit Niederschlag finden. Kogan konzentrierte sich darauf, wie Methoden des Machine Learnings, das als solches ein weites Spektrum möglicher Anwendungen hat, seine Projekte beeinflussen, und zeigte dazu auch eine Menge an Beispielen seiner eigenen Arbeiten sowie der von WorkshopteilnehmerInnen und StudentInnen.[1]
Bild 3: ÖNB Labs Symposium, Keynote von Gene Kogan
Anschließend präsentierte Sofia Crespo ihre Arbeiten und ihre Beweggründe zur Anwendung der bereits erwähnten technologischen Strategien. Sie bezog sich auf den dem Symposium vorangegangenen Workshop, in dem sie und Gene Kogan beispielhaft gezeigt hatten, wie eine künstlerische Verwendung von Daten der ÖNB Labs zu bewerkstelligen sei. Weiters kommentierte sie allgemein die Arbeit mit offenen Daten und das Angebot dieser über IIIF, dem International Image Interoperability Framework – ein Standard, der einen zentralen Aspekt der ÖNB Labs bildet.
Mahendra Mahey, der Projektmanager des BL Labs an der British Library, präsentierte seine langjährige Erfahrung im Aufbau und der Leitung eines Labs. Offen sprach er nicht nur über Erfolge, sondern auch über Herausforderungen und Fehler, die ihm in den Jahren seit der Gründung der BL Labs unterlaufen waren und hielt im Besonderen dazu an, mit KünstlerInnen zu arbeiten, da diese durch diverse, statt nur spezifische Inhalte inspiriert werden könnten. Zudem kontextualisierte er globale Entwicklungen zum Aufbau von Labs im Kontext von Kulturinstitutionen, in welchen er eine enorme Energie und Triebkraft identifizierte.
Technische Hilfestellung für BenutzerInnen
Seinem Vortrag folgte eine Präsentation von Gabriele Höfler, die das Team der ÖNB Labs seit Mai als Softwareentwicklerin unterstützt. Sie sprach über das neu eingeführte Service “Bring your Project”, ein von DARIAH gefördertes Projekt, das von ihr betreut wird. Im Rahmen dieses Services können sich BenutzerInnen der ÖNB Labs, die technische Hilfestellung brauchen, mit ihren Projekten bewerben. Die Projekte werden dann auf Durchführbarkeit geprüft und nach positiver Beurteilung durch Frau Höflers technische Expertise unterstützt. Einzige Voraussetzung für die Bewerbung ist, dass (auch) Daten oder Tools der ÖNB Labs genutzt werden, dass ein Teil der Entwicklungen wieder anderen BenutzerInnen zur Verfügung gestellt werden und dass sich die BewerberInnen die Zeit nehmen, die Lösungen gemeinsam mit Gabriele Höfler zu erarbeiten, um einen Wissens- und Skills-Transfer zu ermöglichen.
Anschließend gab es eine Reihe von Kurzpräsentationen von bereits realisierten oder in Arbeit befindlichen Projekten.[2] Zu diesen zählte das von Monika Kovarova-Simecek, Studiengangsleiterin der Abteilung Wirtschafts- und Finanzkommunikation an der FH St. Pölten und PhD-Kandidatin an der Uni Wien. Kovarova-Simecek erforscht die Kulturgeschichte der Börsennachrichten in Wien, wofür sie den digitalisierten Bestand an historischen Zeitungen der Österreichischen Nationalbibliothek untersuchte und die Ergebnisse als interaktive Graphen aufbereitete, um Muster und Veränderungen identifizierbar zu machen. Teile ihrer Forschungsarbeit und der interaktiven Graphen sind bereits in den » ÖNB Labs zu finden.
Barbara Klaus, Mitglied des von Horizon 2020 geförderten » Forschungsprojektes NewsEye, referierte über die Erhebungen zum Nutzerverhalten in Bezug auf den digitalen Zeitungslesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Die Ergebnisse dieser empirischen Erhebungen werden in das Design der ÖNB Labs einfließen, da auch diese einen großen Bestand der historischen Zeitungen zur Verfügung stellen. Zudem werden in Zukunft weitere Ergebnisse des NewsEye-Projekts auf dem Portal der ÖNB Labs präsentiert.
Ingo Börner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Austrian Center for Digital Humanities an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, kombinierte in seiner Versuchsanordnung Orte, die im Werk Arthur Schnitzlers vorkommen, mit historischen Postkarten aus dem Bestand der ÖNB Labs. Diese Verbindung erfolgt mittels Abfragen an den SPARQL Endpoints von jeweils ÖAW und ÖNB Labs, mittels derer Linked Open Data angeboten werden.
Andreas Predikaka, Leiter des Webarchivs an der Österreichischen Nationalbibliothek, demonstrierte anhand der Webseiten des Österreichischen Parlaments und des Österreichischen Innenministeriums, wie unter Verwendung der neuesten Webarchivschnittstellen in den Labs Veränderungen in gespeicherten Seiten erkannt und nachvollzogen werden können.
Spannende Podiumsdiskussion
Letzter Teil des Symposiums war eine Podiumsdiskussion mit Mahendra Mahey, Gene Kogan, Sofia Crespo, Max Kaiser und Sophie-Carolin Wagner. Dabei wurden digitale Strategien im Umgang mit Kulturdaten, ihr Nutzen und ihre Hindernisse kritisch diskutiert. Während Einigkeit darüber herrschte, dass man sich mit neuen Technologien, wie etwa dem Machine Learning auseinandersetzen muss, wurde auch in Frage gestellt, ob diese unser Leben und Forschen ausschließlich bereichern, bzw. was überhaupt als Bereicherung einzustufen ist. Auch das Urheberrecht kam intensiv zur Sprache, wobei hier Konsens herrschte, dass urheberrechtsfreie Daten eine zentrale Grundlage bilden, um Forschung, Kunst oder andere kreative Prozesse zu unterstützen und zu fördern.
Bild 4: ÖNB Labs Symposium, Podiumsdiskussion mit (von links nach rechts) Sophie-Carolin Wagner, Gene Kogan, Sofia Crespo, Max Kaiser und Mahendra Mahey
Über die Autorin: Dr. Sophie-Carolin Wagner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung von Forschung und Entwicklung der Österreichischen Nationalbibliothek.
[1] Mehr zu Gene’s Arbeit findet man auf seiner Website: » genekogan.com
[2] Die PowerPoint Präsentationen der Projekte findet man unter: » labs.onb.ac.at/de/topic/labs-symposium-2019
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