AutorIn: Julia Wikarski
Als einer der schönsten Bibliothekssäle der Welt beeindruckt der Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek seine BesucherInnen bis heute als barockes Gesamtkunstwerk, sowie mit seinen enormen Dimensionen von fast 20 m Höhe und einer Fläche von 77,7 x 14,2 m. Er beherbergt auf 6.032 Regalmetern etwa 200.000 gedruckte Bücher aus dem Zeitraum zwischen 1501 und 1850, darunter auch die 2014 in das Nationalregister des UNESCO-Weltdokumentenerbes aufgenommene historische Bibliothek des Prinzen Eugen (Bibliotheca Eugeniana). Die Bücher können auf Anfrage im Augustinerlesesaal gelesen werden. Die Werke wurden allerdings im Rahmen des Projekts Austrian Books Onlinebereits digitalisiert und stehen den LeserInnen somit online zur Verfügung. Zudem werden im Prunksaal in wechselnden Ausstellungen die vielseitigen und wertvollen Bestände des Hauses zu aktuellen Themen präsentiert.
Auf Grund seiner architektonischen Besonderheiten bringt der barocke Prunksaal konservatorische Aufgabenstellungen mit sich, die sich deutlich von bestandserhaltenden Maßnahmen in modernen, klimatisierten Depots unterscheiden. Zu den Besonderheiten zählen vor allem die Größe des Raumes, die fast 5 m hohen Bücherschränke – ausgeführt auf zwei Ebenen – und die hohen Fenster zwischen den Regalen, sowie die ovalen Kuppelfenster im Rondo des Saales, die dem Saal ihre besondere atmosphärische Wirkung geben. Im Rondo und den angrenzenden Regalen finden sich hinter den Bücherschränken kleine Kammern, die ursprünglich als Lesekammern konzipiert waren. Sie werden „Sternkammern“ genannt und sind durch raumhohe Fenster beleuchtet. Schon bald nach Fertigstellung des Prunksaales mussten sie raumfüllend mit Bücherregalen ausgestattet werden, um zusätzlichen Platz für die wachsende Sammlung zu schaffen. Aufgrund seines großen Raumvolumens kann der Prunksaal nicht künstlich temperiert oder klimatisiert werden. Ein historisches Belüftungssystem sorgt für zirkulierende Luft.
Zu den elementaren Aufgaben in der Pflege eines Bestandes in solchen Räumlichkeiten gehört die Kontrolle der Umgebungsbedingungen.
Klimamessungen werden laufend über das gesamte Jahr im Prunksaal und den Sternkammern durchgeführt. Außerdem werden über die Gebäudeleittechnik kontinuierlich die Klimawerte im Erdgeschoss und auf der Galerie erfasst. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf regelmäßigen Klima- und Lichtkontrollen in den Ausstellungsvitrinen während der Ausstellungen. Auf Grund der Messungen konnte festgestellt werden, dass die klimatischen Änderungen langsam und kontinuierlich verlaufen und saisonal bedingt sind.
Um die Bücher und Objekte vor Sonnenlicht, sprich UV-Strahlen und Wärme zu schützen, wurden zum einen alle Fenster – mit Ausnahme der Kuppelfenster – mit speziellen Sonnenschutzrollos versehen, zum anderen alle Vitrinen mit UV-Schutzgläsern ausgestattet. Die Rollos sind Sonderanfertigungen, die der besonderen, gebogenen Form der Fenster im Rondo angepasst sind. Außerdem werden Vitrinen mit besonders empfindlichen Objekten bei entsprechendem Sonnenstand durch das Aufsichtspersonal mit lichtundurchlässigen Rollos abgedeckt, Hochvitrinen werden mit Hussen verkleidet, die nicht nur vor Licht, sondern auch vor Wärmeentwicklung schützen.
IPM – Integrated Pest Management
Der Prunksaal ist kein hermetisch abgeriegelter Raum, so dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass Insekten oder andere Schädlinge den Weg in die Räumlichkeiten finden könnten. Um dem vorzubeugen werden in Zusammenarbeit mit einem Experten präventiv regelmäßig Pheromon – und Klebefallen an möglichen Eindringorten aufgestellt und kontrolliert. Dies ist wesentlicher Bestandteil des Integrated Pest Managements, eines ganzheitlichen Monitorings hinsichtlich einer möglichen Schädlingsproblematik an einem Standort. Zu den Schädlingen für Bücher zählen vor allem Brotkäfer und Silberfische. Seit 2013 finden viermal im Jahr Kontrollen statt. Objekte mit Spuren von früherem Insektenbefall werden isoliert und einer sogenannten Anoxia-Behandlung unterzogen. Dafür werden die Bücher in Taschen aus speziellen Folien zusammen mit Sauerstoffabsorbern und Sauerstoffindikator für mehrere Monate eingeschweißt, wodurch eventuell vorhandene Schadinsekten abgetötet werden.
Durch kontinuierliche Klima- und Lichtüberwachung und den über die letzten Jahre durchgeführten bestandserhaltenden Maßnahmen konnten für die Aufbewahrung und die Sicherheit des wertvollen Buchbestands des Prunksaals wichtige Verbesserungen erreicht werden.
Das Institut für Restaurierung betreut seit den 1950er-Jahren mit seiner Expertise die vielfältigen Bestände im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Die Sammlung der früheren Hofbibliothek wuchs über die Jahre durch Ankäufe berühmter Bibliotheken, Schenkungen, Pflichtabgaben, Bibliotheken aufgelöster Klöster. Die Bücher weisen eine Vielzahl verschiedener Stile, Einbandarten und -materialen auf. Sie sind in Leder, Pergament, Marmorpapiere und prächtige Textilien gebunden, die Deckel können aus Holz oder Pappe gefertigt sein. Manche Einbände sind zusätzlich mit Metallschließen oder Metallauflagen versehen. Zusätzlich zur großen Bandbreite an Einbandtechniken und Materialien sehen sich die RestauratorInnen aber auch sehr unterschiedlichen Erhaltungszuständen der Bücher gegenüber, die ihrer verschiedenen Herkunft, Entstehungszeit und Einbandart geschuldet sind.
Innerhalb der letzten 20 Jahre fanden regelmäßig Großprojekte statt, in denen umfangreiche Reinigungs- und Sicherungsmaßnahmen am Bestand durchgeführt wurden. Das jüngste dieser Projekte startete 2011 und endete erst kürzlich im April 2016, im Rahmen des Digitalisierungsprojektes Austrian Books Online. Dabei wurden sämtliche Regalflächen und Bücher im Prunksaal von Staub gereinigt, die Bücher wurden mit weichen Bürstenaufsätzen abgesaugt und mit Mikrofasertüchern trocken gereinigt. Nach dem Absaugen wurden die Regalfächer nebelfeucht ausgewischt.
Im Prunksaal sind diese einfach klingenden Maßnahmen eine große Herausforderung. Für die ca. 6000 Regalmeter ist nicht nur der generelle zeitliche und personelle Aufwand beträchtlich, die sehr hohen Regale und die schwierige Zugänglichkeit der Bücher, vor allem in den hohen Fächern, wo die kleinformatigen Bände häufig in bis zu vier Reihen hintereinander stehen, verlangen von den MitarbeiterInnen außerdem besondere Fertigkeiten, insbesondere ein schwindelfreies Arbeiten in großer Höhe auf Leitern und Gerüsten.
Seit Bestehen des Instituts für Restaurierung werden Bücher in umfangreicher Arbeit einzeln restauriert. In den letzten Jahren wurden außerdem immer wieder Schwerpunktprojekte initiiert, bei denen Bücher mit besonders empfindlichen oder beanspruchten Einbandmaterialien, wie Samt, Seide, Brokat oder Pergament im Fokus standen.
Sicherungsmaßnahmen werden gesetzt, wenn es gilt wertvolle oder fragile Einbandmaterialien zu schützen oder lose Einbandteile zu sichern, die im Großen und Ganzen aber die Stabilität der Buchstruktur nicht beeinträchtigen. Zu den Sicherungsmaßnahmen zählen neben der Anfertigung von Schubern und Schutzumschlägen auch sogenannte Japanpapiersicherungen aus eingefärbten Japanpapieren, mit denen lose Häubchen oder Kapitale fixiert und somit reversibel gesichert werden können. Eingefärbtes Japanpapier wird auch zur Stabilisierung stark abgestoßener Buchecken verwendet.
Eine wichtige Vorgabe für Restaurierungen und Sicherungsmaßnahmen ist der Erhalt des Gesamteindrucks der Objekte im Saal und somit die ästhetische Integration der Maßnahmen. Durch die gesetzten Maßnahmen wird gewährleistet, dass der Buchbestand in seinem derzeitigen Erscheinungsbild erhalten bleibt und dem Verlust von Originalmaterial vorgebeugt wird.
Das Digitalisierungsprojekt Austrian Books Online ermöglichte eine umfassende Konsolidierung und Revision des Buchbestandes im Prunksaal. Jedes einzelne Buch wurde auf seinen Zustand in Hinblick auf seine Digitalisierbarkeit geprüft. Gegebenenfalls wurden die Bücher vorher gesichert. Im seltenen Fall eines stark restaurierungsbedürftigen Buches, wurde dieses für den Digitalisierungsprozess gesperrt, dokumentiert und kategorisiert, um zu einem späteren Zeitpunkt nach Abschluss des ABO-Projektes bearbeitet zu werden.
Das Hauptaugenmerk des konservatorischen Eingriffes im Vorfeld der Digitalisierung liegt auf der Sicherung von losen Teilen, sei es am Bucheinband oder im Buchblock. Einbandteile, wie eingerissenes oder abstehendes Bezugsmaterial, werden mit eingefärbtem Japanpapier gesichert. Offene Fälze im Buchblock werden ebenso mit Japanpapier verklebt und eventuell lose Seiten wieder in den Buchblock gehängt. Risse in Blättern oder Faltkarten werden geschlossen, lose Buchrücken an Halblederbänden des 19. Jahrhunderts mit hohlem Rücken mit sogenannten Hülsen wieder mit dem Buch verbunden.
Auch speziellere Sicherungen wurden durchgeführt, so zum Beispiel an Pergamentbänden mit durchgezogenen Bünden. Die verloren gegangene Funktion loser Kapitalbünde, die Einband und Buchblock miteinander verbunden haben, wurde mit einem Heftfaden wieder hergestellt.
Die konservatorischen Vorbereitungsarbeiten für die Digitalisierung des historischen Buchbestandes im Prunksaal werden von den Österreichischen Lotterien als Sponsor unterstützt.
In den Bücherregalen im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek werden bei genauerem Hinsehen die im Laufe der Zeit veränderten Standards der Restaurierungen sichtbar. Durch die kontinuierliche Kontrolle, Restaurierung und Sicherung der Bestände konnte ein insgesamt guter Zustand des Bestandes gewährleistet werden. Das Zusammenspiel von Kontrolle, Prävention und Konservierung ist hierfür essentiell. Das Institut für Restaurierung handelt stets unter der Prämisse sorgfältig abgewogener, nachhaltiger Entscheidungen, um das einzigartige, denkmalgeschützte Ensemble – den Prunksaal mit den darin aufbewahrten Büchern – bestmöglich zu erhalten und auch in Zukunft einem interessierten Publikum zugänglich zu machen.
Zur Autorin: Frau Mag. Julia Wikarski arbeitet als Buchrestauratorin im Institut für Restaurierung der Österreichischen Nationalbibliothek.
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