Quellen zur Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek

Forschung

03.10.2019
Geschichte der ÖNB, Handschriften und alte Drucke
Gleich aussehende Archivboxen in Regalreihen
Das Archiv der Generaldirektionen der Österreichischen Nationalbibliothek

Autorin: Gabriele Mauthe

Das Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek, vormals Hofbibliothek und Nationalbibliothek, verwahrt die Verwaltungs- und Dienstakten der Präfekten und Generaldirektionen seit der Bestellung des ersten kaiserlichen Bibliothekspräfekten 1575 bis in die Gegenwart. Von Beginn an war das Archiv öffentlich für BenützerInnen zugänglich und in der Handschriftensammlung untergebracht.

Der Aktenbestand

Das Archiv dokumentiert mit seinem Aktenbestand verwaltungstechnische, wichtige baugeschichtliche und bestandhistorische Details zur Geschichte der Bibliothek. Es illustriert die Organisation, die Aufgabenstellungen, die täglichen Arbeiten, die Bestandspflege sowie die Benützung der Bibliothek durch die Jahrhunderte – von der Hofbibliothek bis zur heutigen Österreichischen Nationalbibliothek. Es erlaubt einen Blick auf Generaldirektoren und MitarbeiterInnen, deren Biographie, deren Werke und Leistungen im und für das Haus. Nicht nur Recherchen zu bedeutenden Persönlichkeiten, die an der Bibliothek tätig waren, wie Peter Lambeck, Conrad Celtis, Gerard und Gottfried van Swieten, Moritz von Dietrichstein, Josef von Karabacek, Franz Grillparzer – um nur einige der Bedeutendsten zu nennen –, können hier durchgeführt werden, sondern auch zu „normalen“ Bediensteten des Hauses. Soziale und persönliche Details zu Lebensumständen der hier beschäftigten Personen zeigen anschaulich den gesellschaftlich soziokulturellen Hintergrund und die Lebenssituation ganzer Generationen.

Erste Akten

Das ÖNB-Archiv reicht zeitlich weit zurück, der erste Akt stammt aus dem Jahre 1575: Die offizielle Bestellung des ersten kaiserlichen Bibliothekspräfekten Hugo Blotius durch Kaiser Maximilian II.


Abb.1: Ernennungsurkunde Hugo Blotius‘: HB 1/1575 » http://data.onb.ac.at/rec/DZ00001610

Was die Konsistenz des Bestandes betrifft, ist festzuhalten, dass aus dieser frühen Zeit nur sehr wenige Akten erhalten sind, es gibt Jahrzehnte aus denen kein einziger Akt vorliegt. Manche der frühen Stücke sind Abschriften aus den Akten des Hofkammerarchivs. So finden wir für das Jahr 1575 lediglich zwei Akten: die schon erwähnte Ernennungsurkunde von Blotius sowie einen Akt zu Umbaumaßnahmen der Hofbibliothek, die zu dieser Zeit im Kreuzgang des nahen Minoritenklosters untergebracht war, die Antwort auf einen Bericht des Hofkammerrats Helfrich Guett an Kaiser Maximilian II., der über den Zustand der Bibliothek berichtete.[1] In einem Akt[2] aus 1593 wird nach einem geeigneteren Ort für die Bibliothek gesucht. 1608, nach dem Tod Blotius‘, wird Sebastian Tengnagel von Erzherzog Matthias zum kaiserlichen Bibliothekar ernannt.[3] In den folgenden Jahrzehnten bis ins 18. Jahrhundert finden sich lediglich verstreute Einzelakten – oft Abschriften aus dem Hofkammerarchiv oder aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv –, die personelle und bibliothekarische Fragen behandeln. Selbst zum geplanten Neubau der Hofbibliothek am Josefsplatz gibt es 1722 und 1723 lediglich zwei Akten in Abschrift[4] sowie einen Akt zur vertraglichen Regelung von Grundbesitz mit den an das Areal der Hofbibliothek angrenzenden Augustinern.[5] Zur Eröffnung des Prachtbaus mit dem Prunksaal am Josefsplatz 1726 existiert kein Dokument.

Findbehelfe

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sind bereits mehr Akten vorhanden und ab Mitte des 19. Jahrhunderts wird die Verwaltung der Hofbehörden und der ihnen unterstellten Hofstellen etabliert, sodass Abläufe von nun an kontinuierlich verzeichnet werden. Zunächst existierte kein Findbuch (Protokollbuch oder Indexband) für das Archiv. Kustos Ignaz Mosel[6] machte sich erstmals die Mühe, die Akten der Hofbibliothek zu sortieren und in einem Indexband, durchgezählt pro Buchstabe, alphabetisch nach Schlagworten und Namen geordnet, zu erfassen: „Verwaltungs-Acten der k.k. Hofbibliothek von den Jahren 1575 bis einschl. 1825 aufgesucht, geordnet und indicirt von J.F. Edlen v. Mosel. 1829-1830.“ Dazu gab Mosel eine Kurzbeschreibung jedes Aktes: Jahr, Zahl des Stückes sowie Nummer des Faszikels. Es ist somit das erste Findbuch im ÖNB-Archiv.

 
Abb.2 & 3: Ignaz Mosels erstes Protokollbuch

Die raren Aktenbestände aus den ersten Jahrhunderten im ÖNB-Archiv erklären sich auch aus der Geschichte der Bibliothek, die lange Zeit von einer einzigen Person betreut wurde, zudem unzureichend untergebracht war, und keinen eigenen Verwaltungslauf für Korrespondenzen hatte. Erst mit der Institutionalisierung der Bibliothek, eines Präfekten und Kustoden entwickelten sich die ersten Anzeichen einer Verwaltung. Mitte des 19. Jahrhunderts stiegen die Aktenbestände kontinuierlich an. Ab 1826 wurden nach Mosels Modell Protokollbücher für jedes Jahr mit einem Indexband erstellt und bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts weitergeführt.

        
Abb. 4 & 5: Aus dem Protokollbuch 1826 mit Indexteil - Buchstabe G

Ab der Jahrhundertwende stieg die Aktenzahl erneut stark an, und in den folgenden Jahrzehnten ist ein kontinuierlicher Zuwachs zu verzeichnen, unterbrochen durch die Jahre der Weltkriege, die naturgemäß eine Verringerung der Aktenläufe mit sich brachten.

  
Abb. 6 & 7: Protokollbücher

Seit Mitte der 1990er Jahre wird in der Generaldirektion ein elektronisches Postbuch geführt.

Bestandsübersicht

Der Bestand von mehreren hunderttausend Akten ist zeitlich in die drei großen historischen Perioden der Institution gegliedert: So umfasst der Bestand Hofbibliothek (1575–1919) circa 200 Kartons, der Bestand Nationalbibliothek (1920 bis 1945) circa 100 Kartons und der Bestand Österreichische Nationalbibliothek (1945 bis in die Gegenwart) derzeit an die 200 Kartons. Dazu kommt eine Reihe von Einzelbeständen, wie zum Beispiel der Sonderbestand aus der Zeit des Nationalsozialismus, der für die Provenienzforschung und Restitutionen eine wichtige Rolle spielte. Diese Unterlagen wurden aus dem laufenden Bestand herausgenommen und thematisch gesondert aufgestellt. So konnte die Österreichische Nationalbibliothek bereits in den 1990er-Jahren mit der Aufarbeitung ihrer Geschichte in der NS-Zeit beginnen und diese Anfang des 21. Jahrhunderts als erste Institution Österreichs vollständig aufarbeiten.

Weitere Bestände sind Personalakten, die alphabetisch nach Familiennamen abgelegt wurden. Diese Mappen finden sich erst nach Ende der Monarchie und kontinuierlich noch später, als sich Sammlungen und Abteilungen als Verwaltungseinheiten herausgeformt hatten. Zu Hofbibliothekszeiten waren alle Personalangelegenheiten im Aktenlauf chronologisch mitbehandelt und hier auch abgelegt worden. Das ÖNB-Archiv enthält noch diverse Materialien wie Rechnungsaufstellungen, Korrespondenzen zu Ausstellungen und Jahresberichte. Gelegentlich kommen Unterlagen aus anderen Abteilungen des Hauses an das Archiv, weil diese für die Geschichte der Institution von Interesse sind.

Aufbewahrung im Depot

Die Akten waren jahrhundertelang zwischen zwei dicken Pappkartons verschnürt mit Stoffbändern aufbewahrt, Akten ab 1945 bereits in Schachteln gelagert. Im Zuge der elektronischen Bearbeitung des ÖNB-Archivs werden die Akten zeitgleich in säurefreie Mappen und Kartons konservatorisch fachgerecht umgelagert.

  
Abb. 8 & 9: Vor der Umlagerung: geschnürte Konvolute an Aktenfaszikeln

  


Abb. 10, 11, 12: Nach der Umlagerung: Akten in säurefreien Mappen und Kartons

  
Abb. 13 & 14: Schachteln ab 1945 und in späteren Jahren

 
Abb. 15: Blick ins Depot heute

Konventionelle inhaltliche Erschließung

Wie bereits angesprochen wurden die Akten durch Protokollbücher und Indexbände erschlossen. Die BenützerInnen studierten zunächst diese Findbehelfe und konnten daraus die gewünschten Aktenzahlen bestellen. Für den Aktenbestand ab 1920 bis in die 1990er-Jahre existiert zusätzlich zu den Protokollbüchern eine Schlagwortkartei, die die Suche wesentlich erleichtert, da in diesen Zeitabschnitten keine Indexbücher mehr geführt wurden. Auch die Bestände, die derzeit noch nicht online erfasst sind, können somit rasch gefunden werden.

ÖNB-Archiv online

Seit 2005 wird der umfangreiche, historisch und zeitgeschichtlich interessante Archivbestand im Bibliothekssystem – zunächst in Aleph, nun ALMA – erfasst und inhaltlich durch eine ausführliche Beschlagwortung gemäß der Normdatei (GND) erschlossen. Als zusätzliches Service wird den BenützerInnen zu jedem Akt ein Abstract geboten, das naturgemäß bei wichtigen Akten detaillierter ausfällt als bei einfachen Verwaltungsthemen. Massenakten wie Reproduktionsansuchen, kleine Einzelgeschenke, diverse Anbote, einfache Anfragen etc. wurden nicht online erschlossen. Die Akten sind jedoch vorhanden, wurden nicht skartiert und sind mit den konventionellen Findbehelfen recherchierbar.

Derzeit ist der Aktenbestand für die Jahre 1575–1950 inklusive des Sonderbestands aus der Zeit des Nationalsozialismus online abrufbar. Dieser Online-Katalog ermöglicht eine sehr einfache und rasche Benützung dieses seit Jahrhunderten für die Forschung vielfach genützten Archivs und erleichtert insbesondere die Suchen zu Fragestellungen über größere Zeitspannen. Die LeserInnen können in mehreren Feldern suchen: Bestand, Protokollzahl, Jahr, Sachschlagwort, Person, geographischer Begriff und in einer Volltextsuche über alle indizierten Felder, auch in den Abstracts.

Das ÖNB-Archiv online ist auf der Website der Österreichischen Nationalbibliothek » www.onb.ac.at unter » Digitale Bibliothek & Kataloge zu finden. Man kann entweder in einer Suche über den „Gesamtbestand“ oder unter dem Reiter „ÖNB Gesamtbestand“, und hier gezielt nur in der Auswahl „Akten der ÖNB“ suchen.

Benützung

Alle Akten müssen vorbestellt werden. Die Bestellung erfolgt online über den Katalog mittels E-Mail (unter dem Button „links“ ganz unten), die in der Betreffzeile die Protokollzahl bereits automatisch eingetragen haben: akten[at]onb.ac.at .

Grundsätzlich sind alle Bestände des ÖNB-Archivs benutzbar, sofern nicht rechtliche Einschränkungen bezüglich Datenschutz bzw. Bundesarchivgesetz (Sperrfrist von 30 bzw. 50 Jahren) dagegensprechen. Die Benützung der Akten erfolgt im Augustinerlesesaal. Reproduktionen können nach Rücksprache erstellt werden. Selbstkopien von Originalen sind nicht gestattet, jedoch kann im Lesesaal ohne Blitz fotografiert werden.

Zur Autorin: Dr. Mag. Gabriele Mauthe ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Sammlung von Handschriften und alten Drucken und Leiterin des ÖNB-Archivs.

[1] HB 1/1575 » http://data.onb.ac.at/rec/DZ00001610 und HB 2/1575 » http://data.onb.ac.at/rec/DZ00001617

[2] HB 6 ½ d/1593 » http://data.onb.ac.at/rec/DZ00001627

[3] HB 7 ½ /1608 ; » http://data.onb.ac.at/rec/DZ00001629

[4] HB 19a/1722; » http://data.onb.ac.at/rec/DZ00001650 ; HB 19b/1722 » http://data.onb.ac.at/rec/DZ00001651

[5] HB 19c/1723; » http://data.onb.ac.at/rec/DZ00001652

[6] Ignaz Franz von Mosel (* 1.4.1772 Wien; † 8.4.1844 Wien) Komponist, Musikschriftsteller, k.k. Hofrat und erster Kustos der Hofbibliothek. Er verfasste eine Geschichte der k.k. Hofbibliothek zu Wien. Wien : Beck, 1835.

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