Rezension: Der verkaufte Feminismus. Ausverkauf statt Umverteilung. Feminismus als Marketing-Instrument

Forschung

22.10.2021
Frau und Gender
Buchcover mit einem Barcode, darüber steht in Pink "Der verkaufte Feminismus"

Feminismus ist in Mode gekommen: Viele Stars und Influencer*innen nehmen für sich in Anspruch, Feminist*innen zu sein. Doch die Verbesserung des Images des Feminismus hat nichts mit tatsächlichen politischen Verbesserungen für das Gros an Frauen zu tun, wie Beate Hausbichler argumentiert. In ihrem aktuellen Buch zeigt die Journalistin den Kontrast auf zwischen der widerständigen politischen Bewegung und dem aktuellen Marketing-Label ‚Feminismus‘.

Rezension von Katharina Krcal

Beate Hausbichler: Der verkaufte Feminismus. Wie aus einer politischen Bewegung ein profitables Label wurde, 2021.

Beate Hausbichler hat mit ihrem 2021 erschienen Buch sicherlich ein hochaktuelles Thema aufgegriffen: Gerade in der Pandemie wurde deutlich, wie prekär die Errungenschaften der Frauenbewegung(en) sind. Gleichzeitig scheint es, dass feministische Inhalte in einem noch nie dagewesenen Ausmaß in den traditionellen Medien, vor allem aber im Netz, präsent sind. Das erzeugt den Eindruck, der Feminismus sei im Mainstream angekommen. Tatsächlich hat sich die Lebensrealität der meisten Frauen in den letzten Jahren aber kaum verbessert. Gender Pay Gap, Altersarmut und die ungleiche Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit sind anhaltende Probleme. Laut Hausbichler hat das damit zu tun, dass die derzeit erfolgreiche Variante des Feminismus sich eklatant von der ursprünglichen politischen Bewegung unterscheidet. Als ‚populären Feminismus‘ bezeichnet sie diesen Feminismus, der sich losgelöst von politischen und sozialen Anliegen der herrschenden Marktlogik und Arbeit am erfolgreichen Selbst unterwirft.

Das Thema, wie stark der Feminismus mittlerweile vom Kapitalismus vereinnahmt wurde, ist in letzter Zeit vermehrt diskutiert worden. Hausbichler bezieht sich in ihrer Publikation auf Autor*nnen wie Nancy Fraser und Angela MacRobbie: In den drei Teilen ihres Buches stellt sie dar, wie die Werbeindustrie, die traditionelle Medienlandschaft und die neuen sozialen Medien sowie vermeintlich feministische Frauennetzwerke die Forderungen der zweiten Frauenbewegung ihres politischen Gehaltes beraubt haben. Hausbichler widmet sich den Eigenlogiken der genannten Felder und ihren Effekten auf feministische Botschaften. Ein zentrales Thema ist etwa die in sozialen Medien herrschende Aufmerksamkeitsökonomie, welche emotionale, apodiktische Meldungen gegenüber differenzierten und fragenden Beiträgen stark bevorzugt.

Das Buch ist für ein breites Publikum geschrieben und gut lesbar, wissenschaftliche Trennschärfe ist nicht das Ziel – so werden die Begriffe Neoliberalismus und Kapitalismus weitgehend austauschbar verwendet. Es geht mehr um eine Selbstverständigung jener, die sich mit dem Projekt Feminismus identifizieren können. Hausbichler zeigt, wie sich die Forderungen des Feminismus der 70er und 80er nach Autonomie, Selbstbestimmung und Selbstermächtigung mit jenen Versprechungen überschneiden, mit welchen heute Produkte an die Frau gebracht werden. Sie kritisiert, dass die Forderung nach Wahlfreiheit bei so zentralen Themen wie dem Austragen einer Schwangerschaft zur Freiheit in der Produktwahl trivialisiert wurde, während zur gleichen Zeit die Möglichkeiten legaler Schwangerschaftsabbrüche in einigen Ländern schon wieder eingeschränkt werden. Die Kommerzialisierung feministischer Inhalte ist weitverbreitet: Werbeindustrie und soziale Medien sind vordergründig durchaus an einer Anerkennung diversifizierter Genderidentitäten interessiert. Im Hintergrund steht jedoch das Marketingkalkül, das vor allem die Erschließung neuer Zielgruppen für personalisierte Werbung im Sinn hat. Nicht-Konsumieren ist ebenso wie die Verweigerung der Angabe des Geschlechts auf Facebook keine Option. Bei näherer Betrachtung lassen sich viele scheinbar positive Entwicklungen hin zu mehr ‚diversity‘ analog zum ‚green washing‘ als oberflächliches ‚feminist washing‘ identifizieren, oder als neoliberale Aufforderung einer permanenten Arbeit am Selbst entlarven.

Die Problematik des Feminismus als Verkaufslabel sieht Hausbichler auch darin, dass jahrelange politische Kämpfe von Aktivist*innen ausgeblendet und ihre Erfolge in scheinbar progressiven Werbekampagnen zur Imagepolitur ausgebeutet werden. Als das Hauptproblem des populären Feminismus identifiziert Hausbichler die Konzentration auf das Individuum. Die Tipps und Tricks, die unter dem Feminismus-Label etwa als Karriereratschläge verkauft werden, fördern nur die Durchsetzungsfähigkeit der Einzelnen in der immer stärker werdenden Konkurrenz am Arbeitsmarkt. Im Umkehrschluss werden schlechte Lebensbedingungen als individuelles Versagen interpretiert und mit Scham besetzt. Der populäre Feminismus beschränkt sich oft auf symbolische Akte und Bewusstseinskampagnen. Konzerne wiederum übernehmen die Symbole des Fortschrittes gerne um Forderungen nach gesetzlichen Regulierungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Letztlich kann, was unter dem Schlagwort Feminismus vermarktet wird, wie im Fall elitärer Frauenclubs, den feministischen Forderungen nach Gerechtigkeit und Inklusion sogar zu wider laufen: „Nicht das Spiel wird verändert, nur ein paar Spieler*innen werden ergänzt“, beschreibt Hausbichler das Dilemma.

Wie konkret neue feministische Organisationsformen aussehen könnten, die sich der neoliberalen Zwangsumarmung widersetzen, bleibt in Hausbichlers Buch weitgehend offen. Ihre Problemdiagnose kann in jedem Fall als wichtiger Anstoß für eine Reflexion und Weiterentwicklung feministischer Strategien unter spätkapitalistischen Bedingungen dienen. Nicht zuletzt ist die kritische Betrachtung von Facebook, Twitter, Instagram & Co. als Anregung an Feminist*innen und ihre Verbündeten zu verstehen, nicht nur ihre Kämpfe weise zu wählen, sondern auch die Medien, in welchen sie ausgetragen werden.

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