Sozialistin und Agitatorin, Politikerin und marxistische Theoretikerin, Antimilitaristin und Internationalistin. So wird Rosa Luxemburg in Presse und Texten dargestellt und beschrieben. In den fast ausschließlich von Männern dominierten revolutionären Bewegungen um 1900, nahm sie als Frau eine aktive und maßgebliche Rolle ein. Am 5. März 2021 jährt sich ihr Geburtstag zum 150. Mal.
Autorin: Lydia Jammernegg
„[...] die packende Gewalt ihrer Rede und Geste mit der sie, klein an Gestalt, Riesenversammlungen ermüdeter, abgearbeiteter Männer und Frauen aus dem eintönigen Kreis des Tageslaufes herausriß“ (Rosa Luxemburg, in: Die Arbeiterin, 1929, Nr. 1, S. 4) beeindruckte auch die Parteiautoritäten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Schnell wurde Rosa Luxemburg innerhalb der Sozialdemokratie prominent. Als Staats-und Wirtschaftswissenschaftlerin, Journalistin und Vertreterin des linken revolutionären Flügels der Sozialdemokratie agitierte sie für die ArbeiterInnenbewegung und gegen den Krieg. Als Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) wurde sie am 15. Januar 1919 in Berlin ermordet.
Die Rezeption von Rosa Luxemburg ist seitdem nicht abgerissen: durch ZeitgenossInnen und WeggefährtInnen aus den Kommunistischen, aber auch Sozialdemokratischen Parteien in Deutschland, Polen, Russland und später der DDR, durch Zeitungsartikel zu ihren Todestagen, sowie durch wissenschaftliche Beiträge, welche die zahlreichen theoretischen Schriften Luxemburgs zum Ausgangspunkt haben.
Rozalia Luksenburg wurde am 5. März 1871 in Zamość in Polen, im damaligen zaristischen Russland, in eine jüdische bürgerliche Familie geboren. Sie besuchte das II. Warschauer Mädchengymnasium. Bereits als Schülerin engagierte sie sich im Untergrund gegen antisemitische und antipolnische Maßnahmen – wie z.B. Russisch als Unterrichtssprache. Um politischer Verfolgung zu entgehen, emigrierte sie zum Studium der Nationalökonomie 1889 nach Zürich. 1897 promovierte sie zur Doktorin der Rechts- und Staatswissenschaften mit einer Dissertation über die industrielle Entwicklung Polens. (Vgl. Kautsky 2019: 24-36)
Die Universität in Zürich war die einzige in Europa, an der Frauen schon Ende des 19. Jahrhunderts ein Studium absolvieren und vor allem auch einen Studienabschluss erwerben konnten. Dementsprechend gab es an der Universität Zürich eine Reihe studierender Frauen, vor allem aus dem zaristischen Russland.
Nach ihrer Promotion erlangte Rosa Luxemburg in kurzer Zeit eine bedeutsame Position in der deutschen und internationalen ArbeiterInnenbewegung – zu einer Zeit, in der es Frauen verboten war Mitglied einer politischen Partei zu sein und sie noch kein Wahlrecht hatten. Frauen, die in der Öffentlichkeit eine Rolle spielten, waren mit vielerlei Vorbehalten konfrontiert – auch in linken Parteien. Dies hinderte Rosa Luxemburg nicht daran als Rednerin und Journalistin zuvorderst in der ArbeiterInnenbewegung, Sozialdemokratie und Revolution zu agieren. Sie gehörte zu den wenigen Frauen die damals aktiv in der Politik tätig waren.
Obwohl Rosa Luxemburg das Frauenwahlrecht einforderte, hatte sie an der Frauenbewegung nie Interesse, sondern an der Sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung, in der sich beide Geschlechter gemeinsam für die gleichen Ziele einsetzen sollten. Die Frauenbewegung lenke vom Klassenkampf ab, meinte sie. In einer unabhängigen Frauenbewegung sah sie die Gefahr einer Spaltung der Arbeiterklasse. Rosa Luxemburg lehnte es ab wegen ihrem Geschlecht bevorzugt zu werden. Sie meinte, dass dies die verweigerte Gleichberechtigung nur legitimieren würde. (Vgl. Kautsky 2019: 84-85, Keller/Kraft 2005: 39)
Nach Abschluss ihres Studiums übersiedelte Rosa Luxemburg nach Berlin. Sie ging eine Scheinehe ein, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen. Nicht unwesentlich könnte bei dieser Entscheidung gewesen sein, dass sich ihr dadurch die Möglichkeit eröffnete, sich in der deutschen Sozialdemokratie zu verankern und deren Presse als Plattform für ihre journalistischen und theoretischen Arbeiten zu nutzen.
1893 hatte sie schon am II. Internationalen Sozialisten-Kongress in Zürich teilgenommen und war 1894 Mitbegründerin der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Polen. Mit ihrer Übersiedlung nach Deutschland war sie fortan Mitglied der polnischen und der deutschen Sozialdemokratischen Partei und nahm an deren Parteitagen sowie den Kongressen der II. Internationale, einem Zusammenschluss von ArbeiterInnenorganisationen und -parteien verschiedener Ländern, regelmäßig teil. Auf den großen Internationalen Sozialistenkongressen galt sie als Expertin für polnische und russische Angelegenheiten. Im Rahmen ihrer Arbeit für die SPD war sie nun ständig unterwegs. Auf zahllosen (Wahl)Versammlungen sprach sie vor vielen Menschen. Ihre Agitationsreisen führten sie unter anderem zu den ArbeiterInnen und Bergleuten Oberschlesiens.
Auf den Parteitagen vertrat sie entschieden und mit großem rhetorischem Talent ihre Positionen. Dabei ging sie keinen Diskussionen mit der Parteiführung aus dem Weg. Luxemburg gehörte bald zur Spitze eines relativ kleinen linken Parteiflügels in der SPD, der den Marxismus umsetzen wollte. Es kam zu Meinungsverschiedenheiten in der Frage ob Massenstreiks nur in Resolutionen vorkommen oder auch Teil der politischen Praxis der SPD sein sollten (Vgl. Die Massenstreikdebatte, in: Arbeiter-Zeitung, 18.09.1913, Nr. 256, S. 2). Mit ihren Reden gegen Militarismus, Imperialismus und Kriegsgefahr versuchte Rosa Luxemburg Überzeugungsarbeit auf nationaler und internationaler Ebene zu leisten. Aber die Kluft zwischen den Lagern der deutschen Sozialdemokratie wurde mit den Jahren immer deutlicher. Als Kriegsgegnerin und in Ablehnung der Kriegskredite, denen die SPD schließlich zustimmte, war Rosa Luxemburg, zusammen mit Karl Liebknecht und Clara Zetkin, bedeutsam dafür, dass es 1914 schließlich zu einer Spaltung innerhalb der SPD kam. Wegen ihrer Aufrufe zu Kriegsdienstverweigerung verbrachte sie die Kriegszeit ab 1914 größtenteils im Gefängnis. (Vgl. Thurner 2007: 42-47)
Binnen kurzer Zeit wurde Rosa Luxemburg zur führenden Theoretikerin und bekannten politischen Journalistin in der deutschen Sozialdemokratie. Sie schrieb für eine Reihe von Zeitschriften, wie etwa die „Neue Zeit“, eine Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie, und setzte sich in ihren zahlreichen Schriften auch mit den Parteipositionen auseinander. Thema all ihrer Schriften war ihr Anliegen einen Sozialismus zu verwirklichen, in dem international alle Menschen politisch, wirtschaftlich und sozial gleichgestellt sein sollten.
Anfang des 20. Jahrhunderts standen sich in der deutschen Sozialdemokratie zwei Lager gegenüber: Eine Seite, die eine Revolution nicht ausschließen und an der Alleinherrschaft der arbeitenden Klasse festhalten wollte, eine andere Seite die sogenannten „Revisionisten“, die Reformen zur Umwandlung des kapitalistischen Systems anstrebten und sich gegen den Klassenkampf und gegen Revolutionsbestrebungen wandten. Auf dem Parteitag der deutschen Sozialdemokratie 1898 in Stuttgart widersprach Rosa Luxemburg den Reformtheorien Eduard Bernsteins und seiner AnhängerInnen.
„Da aber das sozialistische Endziel das einzige entscheidende Moment ist, das die sozialdemokratische von der bürgerlichen Demokratie [...] unterscheidet, das die Arbeiterbewegung aus einer Flickarbeit zur Rettung der kapitalistischen Ordnung in einen Klassenkampf gegen diese Ordnung, um die Aufhebung dieser Ordnung verwandelt, so ist die Frage ‚Sozialreform oder Revolution?‘ im Bernsteinschen Sinne für die Sozialdemokratie zugleich die Frage: Sein oder Nichtsein?“ (Luxemburg 1899: 3)
Dass die SPD auf eine Unterstützung des Ersten Weltkriegs umschwenkte, war für Rosa Luxemburg eine Katastrophe.
„Durch die Zustimmung zu den Kriegskrediten und die Proklamierung des Burgfriedens haben die offiziellen Führer der sozialistischen Parteien in Deutschland, Frankreich und England dem Imperialismus den Rücken gestärkt [...] und so zur zügellosen Entfesselung der imperialistischen Furien, zur Verlängerung des Massenmordes und zur Vermehrung seiner Opfer beigetragen, die Verantwortung für den Krieg und seine Folgen mit übernommen.“ (Keller/Kraft 2005: 109, Zit. n.: Luxemburg: Gesammelte Werke, Bd. IV, 43-47)
Mit anderen linken KriegsgegnerInnen gründete sie nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Gruppe Internationale, die ab 1914 als oppositionelle Gruppe innerhalb der SPD bestand, sich 1917 der von der SPD abgespaltenen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) anschloss und aus welcher später der Spartakusbund hervorging.
Im Frühjahr 1915 erschien das vorerst einzige Heft der Zeitschrift „Die Internationale“ unter der Redaktion von Franz Mehring, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin. Dieses theoretische Organ sollte die Meinung der noch innerparteilichen Opposition der SPD gegen die Politik der Parteiführung widerspiegeln. Die Gruppe Internationale und damit die Zeitschrift vertraten die Vorkriegsziele der Sozialdemokratie, vor allem internationale Solidarität in der ArbeiterInnenbewegung, Klassenkampf und Antimilitarismus. Die Zeitschrift wurde unmittelbar nach ihrem Erscheinen verboten. Herausgeber und Verleger wurden angeklagt. Die bereits verkauften Exemplare gingen aber weiter von Hand zu Hand.
Im Herbst 1918 organisierten sich in ganz Deutschland ArbeiterInnen- und Soldatenräte – beginnend mit dem Aufstand der Kieler Matrosen am 3. November. In Berlin gingen Hunderttausende mit roten Fahnen auf die Straße und forderten die Abdankung des Kaisers.
Am 9. November 1918 wurde die Republik ausgerufen. Die beiden sozialdemokratischen Parteien SPD und USPD bildeten eine Regierung mit Friedrich Ebert als Kanzler, die vom Militär unterstützt wurde. Gleichzeitig kam es zwischen dieser provisorischen Regierung und den Räten zu bewaffneten Konflikten um die Macht. Der Spartakusbund stand auf Seiten der ArbeiterInnen- und Soldatenräte.
Rosa Luxemburg wurde zu dieser Zeit, am 10. November 1918, aus dem Gefängnis entlassen. Sofort übernahm sie die Redaktion der gerade neu gegründeten „Roten Fahne“, dem Blatt des Spartakusbundes. Auch sie plädierte für eine Herrschaft der Arbeiter- und Soldatenräte.
Zu Jahresende 1918 beschloss der Spartakusbund die USPD, die in der Übergangsregierung vertreten war, zu verlassen und eine eigene Partei zu gründen: Die Kommunistische Partei Deutschlands (Spartakusbund). Rosa Luxemburg war Mitbegründerin der KPD, gemeinsam mit Karl Liebknecht, Franz Mehring und Clara Zetkin. Das erste Programm der KPD wurde von ihr verfasst. (Vgl. Die Reichskonferenz des Spartakusbundes, in: Die Rote Fahne, 31.12.1918, Nr. 45, S. 2)
Am 4. Januar 1919 hatte die sozialdemokratische Regierung den Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn, der dem linken Flügel der USPD angehörte, abgesetzt. Dadurch kam es zum Aufstand der revolutionären ArbeiterInnen und Soldaten Berlins – zum sogenannten „Spartakusaufstand“ – und zu bewaffneten Kämpfen mit den von der SPD-Regierung herbeigerufenen Regierungstruppen bzw. Freikorps. Unter anderem wurden die Druckereien des „Vorwärts“ und des „Berliner Tageblatts“ besetzt. Luxemburg hatte vor der verfrühten Durchführung eines Aufstandsversuchs gewarnt, diesen aber mitgetragen (Vgl. Luxemburg, Rosa: Versäumte Pflichten, in: Die Rote Fahne, 8.01.1919, Nr. 8, S. 1). Nach einigen Tagen wurde der Aufstand niedergeschlagen. Aus heutiger Sicht war er wohl, mangels Beteiligung der Massen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Rosa Luxemburg wurde nun von der Regierung als Putschistin und Führungsfigur der Spartakisten gesucht und verfolgt.
In ihrem letzten Artikel „Die Ordnung herrscht in Berlin“ schrieb Rosa Luxemburg am 14. Jänner 1919:
„Die Führung hat versagt. Aber die Führung kann und muß von den Massen und aus den Massen heraus neu geschaffen werden. Die Massen sind das Entscheidende, sie sind der Fels, auf dem der Endsieg der Revolution errichtet wird. Die Massen waren auf der Höhe, sie haben diese ‚Niederlage‘ zu einem Glied jener historischen Niederlagen gestaltet, die der Stolz und die Kraft des internationalen Sozialismus sind. Und darum wird aus dieser ‚Niederlage‘ der künftige Sieg erblühen. ‚Ordnung herrscht in Berlin!‘ Ihr stumpfen Schergen! Eure ‚Ordnung‘ ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon ‚rasselnd wieder in die Höh’ richten‘ und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein.“ (Luxemburg, Rosa: Die Ordnung herrscht in Berlin, in: Die Rote Fahne, 14.1.1919, Nr. 14, S. 2)
Tags darauf wurde sie, ebenso wie Karl Liebknecht, von reaktionären Freikorpstruppen verhaftet und ermordet. Rosa Luxemburgs Leiche wurde in den Berliner Landwehrkanal geworfen und erst Monate später gefunden.
Zum Thema digital:
ANNO – AustriaN Newspapers Online:
Die Arbeiterin, 1929, Nr. 1, S. 1
Die Massenstreikdebatte, in: Arbeiter-Zeitung, 18.09.1913, Nr. 256, S. 2.
Rosa Luxemburg, in: Die Arbeiterin, 1929, Nr. 1, S. 4
Wiener Bilder, 26.1.1919, Nr. 4, S. 6
Bildmaterial digital:
An das arbeitende Volk – Wählt Kommunistisch!
Porträt von Rosa Luxemburg
Zum Thema analog:
Primärliteratur (Auswahl):
Die Internationale 1915. Eine Monatsschrift für Praxis und Theorie des Marxismus. Hrsg. von Rosa Luxemburg und Franz Mehring, Düsseldorf: Gerisch.
Luxemburg, Rosa (1916): Die Krise der Sozialdemokratie. Frau Dr. Rosa Luxemburgs sogenannte Junius-Broschüre; eine Gefängnisarbeit, Berlin: Hoffmann.
Luxemburg, Rosa (1906): Massenstreik, Partei und Gewerkschaften, Hamburg: Dubber.
Luxemburg, Rosa (1899): Sozialreform oder Revolution? Mit einem Anhang: Miliz und Militarismus, Leipzig: Heinisch.
Sekundärliteratur (Auswahl):
Kautsky, Luise (2019): Rosa Luxemburg. Ein Gedenkbuch, Berlin: heptagon.
Keller, Fritz / Stefan Kraft (Hg.) (2005): Rosa Luxemburg. Denken und Leben einer internationalen Revolutionärin, Wien : Promedia Dr.- u. Verl.-Ges.
Luban, Ottokar (2008): Rosa Luxemburgs Demokratiekonzept. Ihre Kritik an Lenin und ihr politisches Wirken 1913–1919, Leipzig: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen.
Piper, Ernst (2018): Rosa Luxemburg. Ein Leben, München: Blessing.
Thurner, Erika (2007): Rosa Luxemburg, in: Pelinka, Anton/David Wineroither (Hg.): Idee und Interesse II. Politische Ideen und Gesellschaftstheorien im 20. Jahrhundert, Wien: Braumüller, S. 41-55.
Schütrumpf, Jörn (Hg.) (2010): Rosa Luxemburg oder: Der Preis der Freiheit, Berlin: Dietz.
Über die Autorin: Mag.a Lydia Jammernegg ist Mitarbeiterin von Ariadne, frauen/genderspezifische Informations- und Dokumentationsstelle der Österreichischen Nationalbibliothek.
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