Anlässlich des 100. Todestages des Esperanto-Erfinders Ludwik Zamenhof werden 19 Korrespondenzstücke sowie mehr als 100 von ihm verfasste, herausgegebene bzw. übersetzte Werke digitalisiert und auf der Webseite der Österreichischen Nationalbibliothek veröffentlicht.
Autor: Bernhard Tuider
Ludwik Zamenhof wurde am 15. Dezember 1859 in Białystok (Ostpolen) geboren und übersiedelte 1873 mit seiner Familie nach Warschau. In seiner multiethnisch geprägten Geburtsstadt erlebte er schon als Kind, dass Sprachenvielfalt häufig zu sozialen Spannungen und Konflikten führen kann. In einem Brief über den Ursprung des Esperanto schrieb Ludwik Zamenhof (Zamenhof o.J.: 3-4) 1895:
„Dieser mein Geburtsort und Heimatsort in meiner frühen Jugend gab mir die Richtung für alle meine späteren Bestrebungen. Die dortige Bevölkerung besteht aus vier Elementen: Russen, Polen, Deutsche [sic] und Juden. Diese vier Gruppen haben je ihre eigene Sprache und stehen einander feindlich gegenüber. In einer solchen Stadt empfindet eine eindrucksfähige Natur mehr als sonstwo das lastende Unglück der Verschiedensprachigkeit und bei jedem Schritt drängt sich ihr der Gedanke auf, dass die Verschiedenheit der Sprachen der einzige oder wenigstens der Hauptgrund ist, der die menschliche Familie trennt und in feindliche Lager spaltet.“
Mit dem Ziel, Sprach- bzw. Kommunikationsbarrieren zu überwinden, begann er deshalb bereits als Jugendlicher eine transnationale Sprache auszuarbeiten und publizierte nach dem Abschluss seines Medizinstudiums unter dem Pseudonym Dr. Esperanto 1887 das Lehrbuch „Internacia Lingvo“ in Russisch, Polnisch, Französisch und Deutsch. (vgl. Korĵenkov 2011: 77-88)
Auf der Grundlage des „Unua Libro“, des ersten Esperanto-Buches, sind in den 1890er-Jahren in weiteren Sprachen Esperanto-Lehrbücher entstanden, die eine » kontinuierliche Literaturproduktion begründeten. Die relativ rasche Verbreitung der neuen Sprache wurde auch begünstigt durch die adresaroj – von Ludwik Zamenhof zwischen 1889 und 1909 herausgegebene Verzeichnisse mit Namen und Adressen von insgesamt circa 22.000 Esperanto-SprecherInnen.
Neben seiner Arbeit als Augenarzt in Warschau veröffentlichte Ludwik Zamenhof zahlreiche Werke, die nun auch online zugänglich sind: Lehr- und Wörterbücher, Übersetzungen (Zamenhof übersetzte aus sechs Sprachen ins Esperanto), Vorträge (v.a. Reden auf den Esperanto-Weltkongressen) sowie linguistische und philosophische Texte. Besonders erwähnenswert ist das 1905 veröffentlichte Fundamento de Esperanto, eine Art Verfassung bzw. Systemurkunde der Sprache, die definiert, welche Weiterentwicklungen zulässig sind.
Zum Autor: Mag. Bernhard Tuider ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Sammlung für Plansprachen der Österreichischen Nationalbibliothek
Korĵenkov, Aleksander (2011): Homarano. La vivo, verkoj kaj ideoj de d-ro L.L. Zamenhof. Kaliningrado: Sezonoj.
Zamenhof, Ludwik (1887a): Meždunarodnyj jazyk. Predislovie i polnyj učebnik. Varšava: Kelter.
Zamenhof, Ludwik (1887b): Język międzynarodowy. Przedmowa i podręcznik kompletny. Warszawa: Kelter.
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