Kostbarkeiten aus Wachs

Forschung

15.04.2021
Restaurierung
Schnitzerei von Mann mit Lorbeerkranz im Profil hinter Glas auf schwarzem Grund, goldener Rahmen

Zwei Wachsporträts des Gründers der Fideikommissbibliothek, Kaiser Franz I. (II.), sowie ein Wachsrelief des Grabdenkmals der Erzherzogin Marie Christine wurden kürzlich einer aufwendigen Konservierung unterzogen.

Autorinnen: Zita Breu, Uta Landwehr, Anna-Maria Pfanner, Alexandra Smetana

Im Bestand von Bildarchiv und Grafiksammlung befinden sich seltene Objekte aus Wachs, die kürzlich umfassend konserviert wurden.Es handelt sich um zwei Wachsporträts des Gründers der Fideikommissbibliothek Kaiser Franz I. (II.) und um ein Relief des Grabdenkmals der Erzherzogin Marie Christine.

Der Ursprung des autonomen Relief-Porträts aus Wachs liegt in der Medaillen- und Goldschmiedekunst.2 Die ursprüngliche Aufgabe des Reliefs war es, ein „Modello” für ein Münzbildnis zu sein. Der Werkstoff Wachs erlaubt es besonders feine bildhauerische Details herauszuarbeiten. Er wurde zuerst von italienischen KünstlerInnen verwendet, später etablierte sich die Praxis auch nördlich der Alpen.

Die Blüte der Keroplastik erstreckte sich vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Wachs als Werkstoff für Porträts fand im Zuge der Emanzipation des Bürgertums auch außerhalb der höfischen Kreise hohe Wertschätzung. Ende des 18. Jahrhunderts verlor es auf Grund eines Wandels in der Materialbewertung zunehmend an Bedeutung. Es haben sich nur wenige Beispiele bis heute erhalten. Ein Grund dafür ist unter anderen, dass es Ablieferungsbefehle während beider Weltkriege gab, die zur Einschmelzung vieler Werke führten.

Die vorliegenden Objekte wiesen starke Schäden auf, nicht zuletzt bedingt durch die Empfindlichkeit des Materials Wachs. Dieses ist hitze- und druckempfindlich, es kann leicht brechen und Staub bleibt insbesondere in den Vertiefungen der Oberfläche haften.

Beide Porträtreliefs von Kaiser Franz I. (II.) (1768-1835) stammen vom Mailänder Bildhauer Gaetano Monti (1751-1827) und wurden 1816 ausgeführt. Sie stammen aus dem Besitz des Kaisers und hingen in seiner Privatbibliothek.3 Der Kaiser ist jeweils im strengen Profil dargestellt. Einmal in antiker Form, mit nacktem Oberkörper, den Kopf mit einem Lorbeerkranz geschmückt (Abb. 1), auf dem zweiten Porträt in zeitgenössischer Kleidung in Generalsuniform (Abb. 2).

Abb.1
Abb.2

Beide Wachsporträts sind als ovale Medaillons montiert, inklusive Rahmen messen sie in der Höhe 18,8 bzw. 20,7 cm. Sie kleben auf einer schwarz beschichteten Glasplatte als Hintergrund und sind mit einer stark bombierten Glaskuppel abgedeckt. Die Einfassung bildet jeweils ein schlichtes Holzrähmchen, das von einem dünnen, profilierten Messingrahmen mit Resten einer Vergoldung überdeckt ist. Trägerplatte, Glaskuppel und Rahmen wurden durch einen roten Wachskitt zusammengehalten. Papier bzw. Karton, auf dem Reste eines dünnen Leders von einer ursprünglichen Einfassung entlang des Glaskuppelrandes kleben, bildet die rückseitige Abdeckung.

Das lorbeerbekränzte Kaiserporträt wies als auffälligsten Schaden einen durchgehenden Bruch im Halsbereich auf. Außerdem gab es mehrere kleine Fehlstellen im Wachs, sowie Verschmutzungen. Der schwarze Hintergrund wirkte durch blasenförmige Abhebungen in der rückseitigen Beschichtung unruhig. Verunreinigungen durch lose Partikel des roten Wachskitts waren über die Oberfläche verteilt (Abb.3). Das Metall des eingedellten Rähmchens zeigte Abriebspuren und war einheitlich dunkel angelaufen.

Abb. 3

Nach dem Öffnen des Objektgefüges durch Abheben des Metallrahmens zeigte sich, dass es frühere Eingriffe gegeben hatte. Der mehrfach gebrochene Holzrahmen und die beiden Teile des Wachsporträts waren mit einem modernen, synthetischen Klebstoff fixiert worden. Um Zugang zur beschädigten, schwarzen Glasplatte zu bekommen, wurde die teilweise gebrochene rote Kittmasse abgenommen. Zum Schutz des empfindlichen Wachsreliefs wurde dieses mit einer Folie abgedeckt (Abb.4).

Abb. 4

Die Wachsoberfläche wurde zuerst mit einem weichen Pinsel von Staubpartikeln befreit. Die Oberflächenreinigung erfolgte mit sehr saugfähigen Schwämmchen4, die mit destilliertem Wasser angefeuchtet wurden. In den Spalt im Halsbereich wurde mehrschichtig dünnflüssiges, eingetöntes Polyethylenglycol eingebracht (Abb. 5).

Abb. 5

Es handelt sich um ein wasserlösliches, nichttoxisches Polymer. Dieses Material wurde in pastoserer Konsistenz auch zum Ergänzen der kleinen Fehlstellen am Relief verwendet. Für die Hinterfüllung der beschädigten schwarzen Wachsschicht auf der Rückseite der Trägerplatte des Reliefs wurde eine Testreihe mit verschiedenen Bindemitteln und Farben angelegt (Abb. 6). Mit Kaseinfarbe eingefärbtes Polyethylenglycol zeigte die besten Ergebnisse.

Abb. 6

Vor dem Zusammensetzen des zerlegten Medaillons wurden der Holzrahmen verleimt und die Glaskuppel sowie der Metallrahmen gereinigt.

Für die Rückmontage des Wachsreliefs in den  Rahmen wurde eine leicht reversible Methode angewandt, damit das Objekt ein- und bei Bedarf in Zukunft auch wieder ausgerahmt werden kann, ohne es umzudrehen. Es wurde punktuell mit Papierlaschen und Textilbändern und reversiblen Klebstoffen gearbeitet.

Auch das zweite Wachsporträt von Kaiser Franz I (II) in Uniform zeigte ein irritierendes Erscheinungsbild. Die ganze Figur war innerhalb des Medaillons verrutscht. Sie hatte sich wahrscheinlich in hängendem Zustand von der schwarzen Rückwand gelöst und war so weit abgesackt, bis sie unten an das bombierte Glas gestoßen war, was eine Abflachung im Wachs verursacht hatte. Einzig eine wächserne Haarlocke war an ihrem ursprünglichen Ort kleben geblieben (Abb. 7).

Abb. 7

Nach dem Öffnen der Rahmenkonstruktion, gefolgt von der Reinigung von Wachsoberfläche und schwarzer Trägerplatte, sollten die Reliefbüste und die Haarlocke wieder verbunden werden. Das Zurückschieben der Figur an ihren ursprünglichen Platz erwies sich allerdings als zu riskant. Es war nicht möglich sie gefahrlos von der Trägerplatte zu trennen. Stattdessen wurde die kleine Haarlocke mit einem Skalpell abgenommen und zurück zur Frisur geklebt (Abb. 8).

Abb. 8

Die schemenhaft sichtbare Silhouette der ursprünglichen Position des Reliefs wurde zu Dokumentationszwecken auf eine Schablone übertragen. Die Glaskuppel wurde vor dem Verschließen leicht verschoben, damit das Wachsrelief an keiner Stelle mehr Kontakt zum Glas hat (Abb. 9).

Abb. 9

Beide wieder verschlossenen Medaillons werden nun liegend in einem klimatisierten Depot gelagert. Sie sind in jeweils einer maßgefertigten Archivbox aus alterungsbeständigem Karton in entsprechend zugeschnittenem Schaumstoff5 eingebettet. Materialien von der ursprünglichen Montage wurden den Objekten zu Dokumentations- und Studienzwecken beigelegt.

Das Wachsrelief des Grabdenkmals der Erzherzogin Marie Christine (1742-1798) wurde um 1805 vom österreichischen Stempelschneider und Graveur Michael Kogler (1763-1844) ausgeführt (Abb. 10).

Abb. 10

Das Objekt stammt ebenfalls aus dem Besitz von Kaiser Franz. I (II.) und hing in dessen Privatbibliothek6. Ein historisches Foto zeigt, dass das gerahmte Relief noch um 1915 im Zimmer des damaligen Vorstands der Bibliothek, Hofrat Dr. Franz Schnürer, hing (Abb. 11).

Abb. 11

Dort ist es an der Wand rechts vom Fenster zu erkennen. Das Wachsrelief ist eine Nachbildung des berühmten, monumentalen Kenotaphsvon Antonio Canova (1757-1822) in der Augustinerkirche in Wien. Dieses gehörte seit seiner Aufstellung 1805 zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt8 und wurde vielfach in Form von Stichen, verkleinerten Kopien und in literarischen Werken interpretiert.

Oben auf der Pyramide ist das Profilbild der Verstorbenen angebracht. Es wird von der Allegorie der Glückseligkeit präsentiert. Ein Trauerzug von fünf vollplastischen Figuren bewegt sich auf eine Tür zu, die in eine Grabkammer zu führen scheint. Auf der rechten Seite lehnt ein trauernder Genius, dem das Wappen des Erzherzogs beigegeben ist, an einem ruhenden Löwen. Diese Gruppe symbolisiert die Trauer des Gatten Erzherzog Albert von Sachsen-Teschen und die Stärke der Verstorbenen.

Das Grabdenkmal stellte eine radikale Neuerung zu den bis dahin üblichen Grabdenkmälern der Habsburger dar. Es zeigt eine klassizistische Formensprache, eine bewusste Bezugnahme auf antike Begräbnisrituale und eine veränderte Einstellung zum Tod. Nicht die Apotheose der Verstorbenen, sondern die Trauer der Hinterbliebenen steht im Vordergrund. Letztere halten die Erinnerung an die Tugend der Verstorbenen wach. Zu den berühmtesten Besuchern des Kenotaphs zählte Napoleon I., Kaiser von Frankreich. Er besichtigte es 1809, während er mit seinen Truppen die Stadt besetzt hielt. Er besuchte die Augustinerkirche am 5. Oktober 1809 um neun Uhr abends und betrachtete das Grabdenkmal im Licht von Fackeln.9 Napoleon soll den Ankauf des zugehörigen Wachsreliefs von Michael Kogler befohlen haben. Ob dieses Werk wie geplant in den Louvre in Paris gebracht wurde, ist nicht belegt. Möglicherweise gab es mehrere Exemplare des begehrten Wachsreliefs.

Das Objekt in der Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek besteht aus mehreren Elementen. Das bossierte Wachsrelief klebt auf einer dünnen Schieferplatte. Diese wird von einem blattvergoldeten Rähmchen eingefasst, in das unterhalb des Reliefs zwei kalligraphierte Schilder aus weiß emailliertem Kupfer eingelassen sind. Das Ganze passt in den auf dem Foto sichtbaren historischen, goldenen Kassettenrahmen mit Perlstabzierleisten.

 

Abb. 12

Das Wachsrelief wurde in großenteils losen Einzelteilen vorgefunden (Abb.12). Nur der obere Teil der Pyramide war noch auf der Schieferplatte befestigt. Früher geklebte und gekittete Risse waren wieder gebrochen, die Haftung der unebenen Fragmente zum Untergrund hatte sich gelöst (Abb.13), alte Ergänzungen und Retuschen unschön verfärbt.

Abb. 13

Die Restaurierung des zerbrochenen Reliefs beinhaltete diverse Arbeitsschritte: das Reinigen des Goldrähmchens und seiner Emailschilder, das Befreien der Wachsfragmente von Staub und Klebstoffresten, das Befestigen der Wachsteile auf der Schieferplatte, das Hinterfüllen von Hohlstellen zwischen Wachs und Trägerplatte, das Schließen von Rissen und Fehlstellen, sowie eine abschließende Retusche.

Vor der Bearbeitung wurden Materialtests zu Klebe-, Füll- und Färbematerialien durchgeführt. Die beste Haftung zwischen Schiefer und Wachs wurde mit einer Mischung aus Acrylklebern erzielt10. Für das Auffüllen von Rissen und Fehlstellen zeigte eine Mischung aus Polyethylenglycol mit Kaseinfarben die besten Ergebnisse (Abb. 14).

Abb. 14

Alle früheren Kittungen und Ergänzungen wurden am Objekt belassen. Um ein einheitliches Erscheinungsbild des wieder zusammengesetzten Reliefs zu erhalten, wurden sie mit Aquarell- und Kaseinfarben retuschiert, ebenso wie die neuen Kittungen (Abb.15). Die gesamte originale Oberfläche des Wachsreliefs wurde belassen und nicht retuschiert, auch dort, wo sie etwas fleckig wirkt.

Abb. 15

Nach der Restaurierung wird das Wachsrelief des Grabdenkmals der Erzherzogin Marie Christine mit seiner vergoldeten Einfassung aus konservatorischen Gründen separat vom historischen Zierrahmen gelagert.

Das Objekt bleibt auch nach der Konservierung sehr empfindlich. Es wird in einer ausgepolsterten Archivbox aus alterungsbeständigem Karton in einem klimatisierten Depot verwahrt. Bei Bedarf können die einzelnen Elemente wieder zusammengefügt werden. Eine vertikale Hängung an einer Wand wird allerdings nicht mehr möglich sein, um das Risiko, dass mit der Zeit Spannungen, neue Risse oder gar eine partielle Ablösung von der Schieferplatte auftreten könnten, zu minimieren.

Frau Mag Zita Breu und Frau Mag  Anna-Maria Pfanner sind freiberufliche Objektrestauratorinnen und Spezialistinnen für die Restaurierung komplexer Materialgefüge.

Frau Mag Uta Landwehr und Frau Mag Alexandra Smetana sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Restaurierung bzw. Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.

Fußnoten:

1 Beauftragt damit wurden zwei externe Spezialistinnen für die Restaurierung komplexer Materialgefüge, Mag. Zita Breu und Mag. Anna-Maria Pfanner

2 Zum Thema vgl. Kahr, Annemarie: Faszination oder Abscheu? Studie zum keroplastischen Porträt in Österreich. Materialikonologische Aspekte anhand ausgewählter Beispiele in österreichischen Sammlungen, Diplomarbeit Univ. Wien 2006, S. 27-38.

3 Quelle: FKBA21001 Aktenkonvolut zu den Beständen der Privatbibliothek zum Zeitpunkt des Todes von Kaiser Franz I. 1835. Heutige Signaturen der Medaillons in Bildarchiv und Graphiksammlung: Pk S.I.5 und Pk S.I.33

Blitz-Fix

5 Archivtauglicher Schaumstoff aus Polyethylen: Plastazote

6 Quelle: FKBA21001 Aktenkonvolut zu den Beständen der Privatbibliothek zum Zeitpunkt des Todes von Kaiser Franz I. 1835. Heutige Signatur des Wachsreliefs in Bildarchiv und Graphiksammlung: Pk 4642

7 Ein Kenotaph ist ein Grabdenkmal zu Ehren einer verstorbenen Person, die an anderer Stelle begraben ist

8 C. Bertuch. Bemerkungen auf einer Reise von Thüringen nach Wien im Winter 1805 bis 1806, Weimar 1808, Heft 1, S. 109.

9 Brief des Hofrathes Girtler von Kleeborn an Erzherzog Karl, Wien 3. 10. 1809 (Archiv der Albertina). zitiert nach Wolfsgruber Coestin: Die Hofkirche zu St. Augustin in Wien, Augsburg 1888, S. 34, Fußnote 2

10 Firma Lascaux

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