Eine neue Ausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek gibt ab 23. November 2023 faszinierende und berührende Einblicke in das Österreich der Nachkriegszeit. Möglich ist dies durch das fotografische Lebenswerk von Yoichi Okamoto (1915–1985), von 1948 bis 1954 Leiter der Fotoabteilung des amerikanischen Informationsdienstes in Österreich. Seine stimmungsstarken und teilweise erstmals in Österreich ausgestellten Bilder zeigen eine Welt nach dem Krieg aus dem Blick eines Fotografen, der als Besatzungsoffizier ins Land kam und in Wien seine große Liebe fand.
Besucher*innen erleben im Prunksaal eine fotografische Zeitreise in das Österreich nach dem Krieg, in der das Leben und die Hoffnung der Menschen, das Streben nach Glück, der Wiederaufbau, die Kunst, die Kultur und das schöpferische Österreich nachvollziehbar werden. Die stimmungsstarken Bilder präsentieren die visuelle Geschichte Österreichs aus den Anfängen der 2. Republik.
2019 erwarb die Österreichische Nationalbibliothek den als verschollen gegoltenen Nachlass des japanisch-amerikanischen Fotografen Yoichi Okamoto. Diese Sammlung enthält über 22.000 Negative und 900 Originalprints. Es sind Aufnahmen, die der Fotograf selbst als seine besten erachtete und die es wert sind, der Nachwelt erhalten zu bleiben. Die neue Schau im Prunksaal gibt zudem einmalige Einblicke in die österreichisch-amerikanischen Beziehungen nach 1945, als Okamoto die Fotoabteilung des amerikanischen Informationsdienstes in Österreich leitete und alle Marshallplanprojekte in Österreich dokumentierte.
Yoichi Robert Okamoto wurde am 5. Juli 1915 als Sohn japanischer Einwanderer in Yonkers, New York, geboren. Er studierte Politikwissenschaft und Wirtschaft an der Colgate University und wurde nach dem Angriff auf Pearl Harbor im Jänner 1942 als erster Japano-Amerikaner aus der New Yorker Gegend in die US-Armee aufgenommen. Im Sommer 1945 kam er als Militärfotograf nach Österreich und avancierte bald darauf zum persönlichen Fotografen des Oberkommandierenden der amerikanischen Streitkräfte in Österreich, General Mark W. Clark, der ihn 1946 nach Wien holte. Von nun an porträtierte er das Nachkriegs-Wien auf einzigartige und unvergessliche Weise. Im September 1948 begann Yoichi Okamoto seine wichtigste berufliche Tätigkeit in Österreich: Er wurde Leiter der Fotoabteilung des amerikanischen Informationsdienstes in Österreich – dem USIS – eine Position, die er bis 1954 innehatte. Er stellte junge österreichische Fotograf*innen ein und bildete sie in der Dokumentarfotografie im amerikanischen Stil aus. Okamoto war Mentor der österreichischen Pressefotografie und besuchte dieses von ihm geliebte Land gemeinsam mit seiner Wiener Frau Paula bis in die 1980er-Jahre.
Von 1948 an dokumentierte Okamotos Bildabteilung das „European Recovery Program“ (den Marshallplan) in Österreich mit außerordentlicher Tiefe und großer künstlerischer Innovation. Damit revolutionierte er die österreichische Medienlandschaft und inspirierte so eine ganze Generation von Fotograf*innen in Österreich und der ganzen Welt.
Unter dem Titel „Schöpferisches Österreich“ wurden ab 1952 im Schaufenster des Wiener Amerika-Hauses, damals in der Kärntner Straße situiert, zeitgenössische österreichische Künstler*innen vorgestellt. Yoichi Okamoto zeichnete für die Künstlerporträts verantwortlich und fotografierte als Ersten Fritz Wotruba, einen der einflussreichsten österreichischen Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Durch Wotruba kam Okamoto in Kontakt mit dem Art Club, einer avantgardistischen Wiener Künstlervereinigung der Nachkriegszeit. Dort lernte er schließlich Künstler*innen wie Wolfgang Hutter, Maria Biljan-Bilger und viele andere kennen, die er ebenfalls mit seiner Kamera festhielt. Anfangs für „Schöpferisches Österreich“, später jedoch auch für seine Ausstellung in der Galerie Würthle im August 1954. Während eines Wienaufenthalts im Jahr 1982 führte Okamoto die Serie von Künstlerporträts für seine Publikation „Okamoto sieht Wien. Die Stadt seit den fünfziger Jahren“ fort.
Nach seiner Rückkehr in die USA wurde Yoichi Okamoto von Präsident Lyndon B. Johnson zum offiziellen Fotografen des Weißen Hauses ernannt. Okamoto war ein wahrer Meister der sogenannten „candid photography“ – der ungestellten, unbeobachteten Aufnahme. Er trainierte Lyndon B. Johnson regelrecht darin, ihn nicht zu bemerken, wenn er oder einer seiner Gäste im Visier der Kamera war. So entstanden Fotografien eines Präsidenten, wie man sie weder vor noch nach Okamotos Tätigkeit zu sehen bekam. Okamoto prägte maßgeblich und auf unnachahmliche Weise das Bild des amerikanischen Präsidenten während dessen Amtszeit zwischen 1963 und 1969. Die Präsidentschaft Johnsons zählt dank Okamotos Werk zur wohl am besten visuell dokumentierten Amtszeit aller amerikanischen Präsidenten. Unter den Aufnahmen aus dieser Zeit sind auch Bilder des Besuchs des damaligen österreichischen Bundeskanzlers Josef Klaus (1910–2001) im Weißen Haus.
Theater und Tanz dienten Yoichi Okamoto – selbst sehr kunstsinnig – oftmals als Motive. Die Tänzer*innen des Wiener Staatsopernballetts hielt er Anfang der 1950er Jahre in mehreren Fotoserien bei ihren Proben oder Aufführungen fest, ebenso wie deren Ballettmeisterin Erika Hanka. Nach Okamotos Rückkehr in die USA und dem Ende seiner Tätigkeit im Weißen Haus gründete er das Fotolabor „Image“ und arbeitete für renommierte amerikanische Magazine, wie „Time“ oder „Life“. Zudem schuf er ab ca. 1970 alle Coverfotos für die Programme des „John F. Kennedy Center for the Performing Arts“ in Washington D.C. und zahlreiche Aufnahmen für das „Lincoln Center for the Performing Arts“ in New York City. Auch Okamotos Fotografien selbst wurden zur Kunst: In den 1950er-Jahren experimentierte er mit Bewegungsunschärfe, schemenhaften Darstellungen oder dramatischen Licht-Schatteneffekten. In seinen Motiven zeigt sich eine besondere Vorliebe für Formen und Muster, durch welche hindurch er Menschen mit seiner Kamera einfing.
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